Der Naziterror vor der Haustür

17 03 2011

Eine Ausstellung im Staatsarchiv zeigt NS-Verbrechen in der Stadt und die Problematik des Fotomaterials.

Dieses Treiben ist unmenschlich. Die Köpfe der beiden Frauen sind kahl geschoren, sie blicken zu Boden. Um ihren Hals hängen große Schilder mit der Aufschrift: „Ich bin eine ehrlose Frau.“ Das Bild zeigt den Spießrutenlauf zweier Ludwigsburgerinnen im Juni des Jahres 1941 durch die Stadt – vor den Augen der Bürger. Ihr Fehler: Beide hatten sich mit einem Kriegsgefangenen eingelassen – eine Straftat in Nazi-Deutschland, die als „Rassenschande“ bezeichnet wurde. Außer mit dieser öffentlichen Demütigung wurde das Vergehen auch mit einer Gefängnisstrafe geahndet. Diese Geschichte ist ein Beispiel für den Psychoterror des NS-Regimes, vor dem – wie das Beispiel der beiden Ludwigsburgerinnen zeigt – auch Deutsche nicht verschont worden sind. Unter dem Titel „Vor allen Augen“ zeigt das Ludwigsburger Staatsarchiv in seiner neuesten Ausstellung diesen eher unbeleuchteten Aspekt der Schandtaten der Nazis.

Die Ludwigsburger Verantwortlichen wollen aber nicht nur Fotodokumente des nationalsozialistischen Terrors in der Provinz und vor der Haustür ausstellen, sondern auch die Zuordnungsproblematik von archiviertem Bildmaterial zeigen. Wer hat das Foto gemacht, warum wurde es geknipst, wie gelangte es ins Archiv – dies sind Fragen, die für eine korrekte Interpretation des historischen Materials notwendig sind. Das sei kein einfaches Feld, sagt Peter Müller, der Leiter des Staatsarchivs. „Deshalb wollen wir mit der Ausstellung auch das quellenkritische Problem verdeutlichen.“ Dafür sind Zusatzinformationen geplant, die erklären sollen, wie solche historischen Bilder interpretiert werden.

So finden sich neben den Fotos auch Briefe, Zeugenaussagen oder andere Dokumente, die einen Rückschluss auf die Herkunft des Fotomaterials ermöglichen. Da ist beispielsweise in einem Brief eines deutschen Soldaten an seine Familie zu lesen, dass er über den Massenmord an den Juden Bescheid wisse, diesen auch befürworte und seine Liebsten die mitgeschickten Fotos doch bitte aufbewahren mögen. Einerseits, erklärt Peter Müller, verdeutlicht dieser Brief, dass die Bilder vom Soldaten selbst stammen, andererseits lässt sich daraus auch das Motiv für die Fotografie ableiten, das für die richtige Interpretation wichtig ist: Die Bilder wirken wie eine Art Trophäe des Wehrmachtssoldaten. Auch ein Austausch solcher Fotos sei innerhalb des Militärs üblich gewesen, sagt Müller.

Im Ludwigsburger Staatsarchiv verbergen sich in Hunderttausenden von Akten weitere Fotodokumente, die mehr oder weniger zufällig auftauchen könnten, weil eine gesonderte Recherche aus Kapazitätsgründen bisher nicht möglich gewesen sei, wie der Leiter erklärt: „Einige Bilder sind erst vor zwei Wochen ans Tageslicht gekommen. Heute werden die Fotos aber sofort eingescannt.“ Die Bilder stammen zum Beispiel von Gerichten oder Finanzbehörden. Diese sind Müllers Angaben gesetzlich dazu verpflichtet, das Material an das Staatsarchiv zu übergeben. Entweder wenn die Dokumente nicht mehr benötigt würden oder spätestens nach 30 Jahren.

Einen Einblick in diesen Fundus können die Besucher nun bis zum 22. Juli im Erdgeschoss des Staatsarchivs am Arsenalplatz nehmen. Die Wander- und die Begleitausstellung informieren auf eindringliche Weise über die nationalsozialistischen Verbrechen in der Stadt – illustriert mit Bildern von Privatpersonen, Pressefotografen, Lehrern oder Parteimitgliedern und unterfüttert mit erläuterndem Zusatzmaterial. Dank dieser Mischung haben die Anschauungsstücke mehr als lediglich einen visuellen Informationswert.

Denn nur das Protokoll einer Zeugenaussage sowie zwei Briefe machen deutlich, was den beiden Ludwigsburgerinnen im Juni anno 1941 geschehen ist – warum sie gedemütigt worden und wer den Vorfall zu verantworten hat.

veröffentlicht in der Stuttgarter Zeitung (17. März 2011)





Atommeiler: Orte wollen unabhängig sein

16 03 2011

Überrascht hören die Nachbarkommunen, dass Neckarwestheim I möglichst schnell stillgelegt wird. Der Schock über den Japan-GAU sitzt tief. Auch wer finanziell profitiert, will den Reaktor lieber heute als morgen loswerden.

Druck ablassen im Reaktorgebäude, Bergung der Menschen aus einem Umkreis von drei Kilometern, Ausgabe von Jodtabletten, die auch er in seinem Rathausschrank aufbewahrt: dem parteilosen Kirchheimer Bürgermeister und Kernkraftgegner Uwe Seibold hat eigentlich schon die erste Meldung vom atomaren Unfall in Japan gereicht. Schließlich sei das exakt der Ablauf, den auch die Orte um das Gemeinschaftskernkraftwerk Neckar (GKN) laut dem Katastrophenschutz einzuhalten haben. Als er von den Maßnahmen um die Meiler Fukushima gehört habe, sei es ihm „eiskalt den Rücken heruntergelaufen“, so der Schultes. Tatsächlich hätten bereits besorgte Bürger bei ihm nachgefragt, ob man die Abwehrmedikamente notfalls bei ihm abholen könne, sagt Seibold: „Gebe Gott, dass wir die nie brauchen.“

Er sei misstrauisch, ob er den Atomausstieg noch erleben werde, hatte der Verwaltungschef noch vor wenigen Monaten erklärt, als die Laufzeit des 35 Jahre alten Blocks I des GKN verlängert wurde, das zwischen Neckarwestheim und Gemmrigheim steht. Dass dieser nun laut der Landesregierung möglichst rasch und für immer stillgelegt werden soll, kommt für die Kirchheimer extrem überraschend und doch mehr als gelegen. Der Ort liegt im Risikoumkreis, hat aber wirtschaftlich wenig profitiert. Immerhin: etliche Mitarbeiter des GKN wohnen in der Kommune, darunter der Betriebsarzt.

Das Personal inklusive Betriebsrat will die jüngsten Ereignisse nicht kommentieren. Ein EnBW-Sprecher sagt allerdings, die Stimmung sei „gedrückt“. Zumal das gute Abschneiden bei der gestrigen Sicherheitssonderprüfung nicht zu den Abschaltplänen passe. Insgesamt würden im GKN mehr als 1000 Menschen arbeiten. Im Atommeiler I seien rund 250 Menschen beschäftigt. Sollte der Block dauerhaft stillgelegt werden, bedeute das nicht automatisch das Aus für die Mitarbeiter, so der Unternehmenssprecher: „Unser hochqualifiziertes Personal benötigen wir auch in anderen Bereichen des Konzerns.“

In Gemmrigheim jedenfalls spricht die Apothekenchefin Rebecca Wolhoff derzeit mit vielen Bürgern über die Vorfälle in Japan. Ihr Eindruck ist aber, dass „die Arbeitsplätze in der Region die Leute mehr beschäftigen als die Jodtabletten“. „Fassungslos“ sei sie gewesen, als sie davon hörte, dass Ministerpräsident Mappus (CDU) die sofortige Stilllegung verkündete, sagt die Hausfrau Claudia Luithle: „Mit so einer Situation hat keiner gerechnet. Keiner weiß, in welche Richtung es weitergeht.“ Bisher hätten die Menschen im Ort zu der Einstellung geneigt, „uns wird schon nichts passieren. Aber durch den Vorfall in Japan denkt man schon anders nach“. Das bestätigen auch die Gasthausinhaber in der Gemeinde. „Jeder ist geschockt, jeder ist den Tränen nahe“, sagt ein Wirt, der nicht namentlich zitiert werden will: „Da denkt man an Japan und gleichzeitig an Neckarwestheim.“ Ein Thema für die Gäste sei aber zugleich auch die Sorge vor höheren Strompreisen, die mit der Abschaltung des Meilers wohl einhergehen würden.

Zudem ist der Meiler auch Auftraggeber für Dienstleister und Handwerker aus der näheren Umgebung. Das Ende des hiesigen Kernkraftwerks sei aus Unternehmersicht jedoch verkraftbar, sagt Norbert Polenta, Vorstand des Bundes der Selbstständigen in Besigheim und Exgemeinderat von Gemmrigheim: „Für die Geschäftswelt sind die Einschnitte nicht dramatisch.“ Außerdem gebe es auch bei einer Abschaltung noch viele Jahre Arbeit, meint auch der Neckarwestheimer Schultes Mario Dürr. Für den Rückbau brauche es mehr als zehn Jahre weiteres Personal. Dürrs Kommune bekommt 60 Prozent der GKN-Gewerbesteuer, der Rest fließt nach Gemmrigheim.

In den vergangenen Jahren habe sich dieser Betrag schrittweise reduziert, sagt die dortige Bürgermeisterin und FDP-Landtagsabgeordnete Monika Chef. Von zwei Millionen Euro jährlicher Gewerbesteuer hänge aber immer noch etwa die Hälfte am Meiler. Die Atomkraft befürworte sie nur, solange die alternativen Energiequellen nicht für die Versorgung ausreichten, sagt Chef. Weder wollte sie die Laufzeitverlängerung noch den atomaren Müll, der in das vor fünf Jahren eingerichtete erste Zwischenlager Baden-Württembergs auf dem GKN-Gelände gebracht wurde. Wenn man die Meiler abschalten könnte, wäre sie glücklich: „Meinetwegen lieber heute als morgen.“

Auch ihr Neckarwestheimer Kollege nimmt angesichts der Schreckensbilder aus Japan den Atomstromausfall gern in Kauf. „Wir müssen dann kleinere Brötchen backen“, sagt Dürr, „aber deshalb geht bei uns das Licht nicht aus.“

(veröffentlich in der Stuttgarter Zeitung am 16. März 2011, mit Miriam Hesse)





Die schiefe Bahn zum Softwarepiraten

16 03 2011

Ein 39-jähriger Möglinger verkauft Adapterkarten für Spielkonsolen und macht sich damit strafbar.

Das Internet ist ein Nährboden für Urheberrechtsverletzungen. Im Netz finden sich unzählige Möglichkeiten, Filme herunterzuladen, Musik auf den MP3-Player zu kopieren oder Computerspiele zu verwenden. Oftmals kollidieren die Datenströme mit der Rechtsprechung, weil die Nutzung der Programme und Produkte unautorisiert erfolgt.

Ein 39-Jähriger aus Möglingen hat das aber ermöglicht, weil er im Jahr 2009 sogenannte Slot-1-Karten aus China für eine Spielkonsole von Nintendo verkauft hat – 577 Stück für einen Gesamtwert von 19 491 Euro. Das Vertreiben dieser Adapterkarten ist illegal, weil sie oftmals dazu verwendet werden, unautorisierte Software von Drittanbietern auf der Konsole abzuspielen. Ohne diese Karte funktioniert das Gerät nicht, mit den Adaptern aus China läuft das Gerät, und es werden zudem die Schutzeinstellungen von Nintendo umgangen, wodurch beinahe beliebig viele Spiele heruntergeladen und genutzt werden können – eine Art Türöffner zur Softwarepiraterie.

Nintendo machte Verlust, schickte dem Angeklagten eine Abmahnung samt Unterlassungsaufforderung. Der Möglinger reagierte nicht und musste sich daher gestern am Ludwigsburger Amtsgericht unter anderem der Anklage auf Urheberrechtsverletzung stellen. Eine Entscheidung steht noch aus, die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten, die zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden solle, und 200 Stunden gemeinnützige Arbeit. Die Richterin zielte auf einen Kompromiss, schlug eine Verfahrenseinstellung gegen 1000 Euro Strafgebühr vor. Der Angeklagte nahm zwar an, die Staatsanwältin bat aber um Bedenkzeit.

In einem ähnlichen Fall entschied im vergangenen Jahr das Oberlandesgericht München, dass der Import, die Verbreitung, der Verkauf, die Bewerbung oder der Besitz dieser Karten die Urheber- und Markenrechte der Firma Nintendo verletzen und somit nicht gestattet sind.

Im engsten Sinne sind diese Delikte zwar nicht der Computerkriminalität zuzurechnen, doch ermöglichten sie PC-basierte kriminelle Handlungen, denn der Begriff Computerkriminalität umfasst laut der Polizei, Delikte „wie etwa das Ausspähen von Daten, die Datenveränderung oder Softwarepiraterie“.

In Ludwigsburg nahmen die Computerkriminalitätsdelikte 2010 (195 Fälle) im Vergleich zu 2009 (223 Fälle) leicht ab, wohingegen dieser Bereich in Baden-Württemberg um 16,6 Prozent anstieg. Weitet man den Begriff auf alle Straftaten aus, die unter der Nutzung des World Wide Web begangen werden, hat die Internetkriminalität 2010 mit 22 494 Fällen in Baden-Württemberg ihren Höchststand erreicht.

Daher gibt die Polizei unter http://www.polizei-beratung.de Tipps und hat rund 4100 Beamte für die Beweissicherung im Internet fortgebildet. Die Direktion Ludwigsburg konzentriert sich bei der Präventionsarbeit auf die Zielgruppe Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern. Im Rahmen des baden-württembergischen Projekts „Kids online“ wollen die Beamten das Gefahrenbewusstsein des Nachwuchses sowie die Medienkompetenz der Eltern schulen. „Nach wie vor werden viele Kinder und Jugendliche zum Opfer oder auch, insbesondere beim Urheberrecht, unwissentlich zum Täter“, sagt der Ludwigsburger Polizeisprecher Peter Widenhorn.

Damit aber so etwas nicht passiert, bot die Kriminalprävention der Polizeidirektion Ludwigsburg im vergangenen Jahr einen Workshop, einen Elternabend und ein Theaterstück in Zusammenarbeit mit dem Ensemble „Duo Q-rage“ an. An neun Schulen wurden 750 Schüler erreicht. Diese wissen nun zumindest, dass das Internet auch ein Nährboden für die eigene Kriminalität sein kann.

veröffentlicht in der Stuttgarter Zeitung (15. März 2011)





Mit Leidenschaft zum Erfolg

15 03 2011

Ludwigsburg gewinnt gegen Bonn und hat den Einzug in die Play-offs selbst in der Hand. Der Name John Bowler ist dabei allgegenwärtig.

John Bowler hat gestern Abend etwas Besonderes erlebt. Der Center des Basketball-Bundesligisten EnBW Ludwigsburg hatte beim Heimspiel gegen die Telekom Baskets Bonn eine eigene Fanwand. Die Ludwigsburger Anhänger hatten sich für die Partie gegen Bowlers ehemaligen Club überlegt, eine „John-Bowler-Wall“ ins Leben zu rufen. Folglich prangten beim 78:71-(32:30-)Heimsieg, mit dem sich die Schwaben auf Platz acht festsetzten und somit das Erreichen der Endrunde weiterhin selbst in der Hand haben, auf der gesamten Fantribüne an die Tausend Schilder mit dem Namen und der Nummer 42 des US-amerikanischen Centers.

Hochmotiviert gingen aber auch die anderen Ludwigsburger in das Spiel. Schließlich wollten sie einerseits die Niederlage vom vergangenen Wochenende gegen den direkten Play-off-Konkurrenten Trier wiedergutmachen, andererseits gastierte mit Bonn schon der nächste Mitstreiter um Rang acht, den letzten Qualifikationsplatz für die Endrunde. Dementsprechend eng gestalteten sich die ersten beiden Durchgänge vor 3138 Zuschauern in der Ludwigsburger Arena. Mit einem Punkt führte der Gast nach dem ersten Viertel, in die Pause gingen dann die Ludwigsburger mit einem Zwei-Punkte-Vorsprung.

Bowler eröffnete mit einem Offensivrebound und drei Punkten die zweite Hälfte. In den Folgeminuten konnte sich Ludwigsburg etwas absetzen, Bonn blieb aber dran, kämpfte sich zum Ende des dritten Abschnitts wieder auf vier Zähler heran. Die Spannung blieb. Im Schlussviertel führten die Gastgeber zwischenzeitlich mit elf Punkten, Bonn gab jedoch weiterhin nicht auf. David McCray sorgte dann aber mit drei Treffern aus der Distanz für neun Punkte, und als die Bonner Nic Wise sowie Michael Koch je ein technisches Foul begingen und Ludwigsburgs Spielmacher Jerry Green knapp anderthalb Minuten vor der Schlusssirene drei Freiwürfe zum 71:61 traf, war die Partie entschieden.

„Es ging heute um die Einstellung und nicht um die Taktik“, sagte Ludwigsburgs Trainer Markus Jochum, „und meine Mannschaft hat den Kampf und die Intensität gut aufgenommen.“ Er lobte zudem David McCray. Auch John Bowler zeigte eine ordentliche Leistung, half dem Team – wie meistens – durch seine große Leidenschaft und seine gute Arbeit unter dem Korb. Er machte elf Punkte und holte acht Rebounds. Schon am Freitag werden die Anhänger in Ludwigsburg erneut gefordert sein. Von 19.30 Uhr an gastieren dann die Eisbären aus Bremerhaven.

Unterdessen schaffte der Zweitligist FC Bayern München sieben Spieltage vor dem Saisonende den Aufstieg in die Bundesliga.

veröffentlicht in der Stuttgarter Zeitung (14. März 2011)





Auf dem Sprung ins Nationalteam

10 03 2011

Faustball Der Angreifer Marc Krüger kann mit dem TV Stammheim den Hallenmeistertitel verteidigen.

Er weiß meist schon vorher, dass dieser Versuch erfolgreich sein wird. Dennoch zählt der siegbringende Angriffsschlag nach einem guten Zuspiel für Marc Krüger immer wieder zu den schönsten Momenten einer Faustballpartie – vor allem natürlich, wenn ihn der 1,97 Meter große Maschinenbaustudent des Bundesligisten TV Stammheim selbst ausführt. Er ist aber keiner, der sich dann protzig feiern lässt, der 25-Jährige gehört zu den ruhigeren Zeitgenossen. „Ich animiere auf dem Feld eher bewusst, als dass einfach irgendwelche Emotionen aus mir heraussprudeln“, sagt er, „als Angreifer sollte man eine gute Selbstbeherrschung haben.“

Dazu passt, dass seine Aussagen klar strukturiert sind, die Stimmlage stets ruhig ist, er mit Gesten sparsam umgeht. „Marc ist ein sehr besonnener Spieler, der sich nicht durch Emotionen leiten lässt. Es ist seine große Stärke, dass er immer die Ruhe bewahrt“, sagt der Stammheimer Kapitän Alwin Oberkersch. Krüger schnupperte in der ersten Klasse in die traditionsreiche Randsportart hinein. Die Grundschule bot einen Kurs an, einige Kumpels nahmen teil, Krüger ging mit – und ist hängengeblieben. „Es sieht leichter aus, als es tatsächlich ist“, sagt er. „Dabei entscheiden Zentimeter, ob man den Ball richtig trifft.“ Er traf ihn gleich gut, verbesserte sich stets.

In Vaihingen/Enz bestritt Marc Krüger seine ersten Vereinsspiele, die Mannschaft war gut, holte früh württembergische Meistertitel. Der Durchbruch gelang bei den B-Junioren. Krüger wurde Deutscher Meister – auf dem Feld und in der Halle, fünfmal nacheinander, weil er schon als C-Junior bei den Älteren mitmischte. Auch mit dem Männerteam in seinem Wohnort Vaihingen/Enz gelang ihm dieser Triumph, doch er saß oft auf der Bank.

Krüger wollte sich jedoch weiterentwickeln – und der TV Stammheim suchte einen Angreifer. Er kannte die Jungs des Konkurrenten von früher, verstand sich mit ihnen gut, wechselte vor zwei Jahren zum Stuttgarter Stadtteilclub – und geht nun mit seinem Team am Wochenende als amtierender Titelträger in die Endrunde um die Deutsche Hallenmeisterschaft im norddeutschen Fredenbeck. „Ich glaube, dieses Jahr wird es sehr eng, weil jeder jeden schlagen kann“, sagt Krüger zur Rollenverteilung der qualifizierten Teams.

Der 25-Jährige ist in Stammheim zufrieden, zog auch wegen des Sports nicht in seinen Studienort Karlsruhe. Schließlich muss er dreimal pro Woche mit der Mannschaft trainieren – im Vorfeld der Endrunde bittet sein Trainer Joachim Bork sogar an fünf von sieben Tagen zu Übungseinheiten. „Aber das Studium geht vor, schließlich ist Faustball immer noch ein Hobby“, sagt Marc Krüger, der die Sportart für „schnell sowie spannend“ hält und es schätzt, „dass jeder jeden kennt“.

Ballgefühl, Durchhaltevermögen, Kraft und Genauigkeit sind die Eigenschaften eines guten Faustballers. Als Angreifer muss Krüger vor allem Angaben, Blocks und Angriffsschläge beherrschen. „In der Offensive bin ich gut“, sagt er, „bei den Zuspielen und im Abwehrverhalten könnte ich mich noch steigern, aber es ist schon besser geworden.“ Vor allem dank seines Trainers, den er für „weltklasse“ hält und von dem er sagt, „dass die Betreuung nicht besser sein könnte und wohl kein Team so einen erfahrenen Trainer hat“.

Joachim Bork, der ehemalige Schweizer Nationalcoach, lobt derweil Krügers Trainingsfleiß und seinen Ehrgeiz, sich stets verbessern zu wollen sowie für jegliche Anregungen offen zu sein. „Er steht voll hinter der Geschichte und macht keine Eskapaden“, sagt Bork.

Marc Krüger ist selbst als Trainer bei den Stammheimer Jugendangreifern aktiv, weil auch er dabei etwas lernt – und weil er die Nachwuchsarbeit für wichtig hält, um den Sport populärer zu machen. „Nur so kommen mehr Kinder zum Faustball und die Basis wird breiter, was das Zuschauer- und Medieninteresse erhöht“, sagt Krüger, der 2009 zu den Kaderlehrgängen der Nationalmannschaft berufen wurde.

Für die Nominierung in die deutsche Auswahl reichte es bisher jedoch noch nicht. „Dieses Jahr wird es aber enger“, sagt er, „natürlich ist die Konkurrenz stark, aber ich muss mich nicht verstecken.“ Für so einen besonnenen Spieler wie ihn ist das eine ganz schön forsche Ansage.

veröffentlicht in der Stuttgarter Zeitung (9. März 2011)





Ehrenamtliche Blattmacher werben für das Ehrenamt

8 03 2011

Freiwilligenmagazin. Das neue Heft „Win“ soll mehr Stuttgarterinnen und Stuttgarter zur Nächstenhilfe animieren.

Dankbarkeit ist ein gutes Gefühl. Danke sagen zu können, oder es selbst zu hören, erheitert, wärmt, erfreut, befriedigt. In Stuttgart sollen nun noch mehr Menschen Dankbarkeit spüren – als Geber und als Nehmer. Das plant die Freiwilligenagentur der Landeshauptstadt, die zur Stabsstelle Förderung Bürgerschaftliches Engagement gehört.

Rund 23 Prozent der Stuttgarterinnen und Stuttgarter engagieren sich ehrenamtlich. Eine große Zahl, die aber noch größer werden soll, denn einerseits wächst die Nachfrage nach Hilfe, andererseits verschiebt sich das Ehrenamt von der Dauer- zur zeitlich begrenzten Projekthilfe, was noch mehr Helfer erfordert. Aus diesem Grund hat die Freiwilligenagentur nun das Magazin „Win“ publiziert, ein Heft mit einer Auflage von 12 000 Stück, das zweimal jährlich erscheinen soll und in öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken, Schulen, Theatern oder Rathäusern ausliegt. Die elektronische Variante ist zudem unter http://www.stuttgart.de/freiwilligenagentur herunterzuladen. „Das hat in Stuttgart noch gefehlt“, sagt die Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Sport, Susanne Eisenmann, „,Win‘ ist eine tolle Form der persönlichen Ansprache, wenn man die Ehrenamtlichen selbst erzählen lässt.“

Als Zielgruppe sehen die Macher alle Ehrenamtsinteressierten, unabhängig von Alter, Herkunft, Geschlecht oder Bildung. Das Magazin will um diese werben, die Bandbreite der Freiwilligenarbeit aufzeigen, Unternehmen vom Sinn des gesellschaftlichen Engagements überzeugen, aber auch den persönlichen Gewinn der Nächstenhilfe hervorheben. So steht in dem Erfahrungsbericht eines freiwilligen Helfers der Schwäbischen Tafel, „dass ich mit fast fünfundsiebzig noch mal so froh bin, Leuten zu helfen, ohne Bezahlung, nur der dankbaren Blicke wegen, das hätte ich nicht gedacht“. Doch auch Jugendliche sollen in dem Magazin mittels Wettbewerben zur Freiwilligenarbeit motiviert werden.

Die 24 Seiten umfassende erste Ausgabe des Heftes berichtet beispielsweise über Theatervorführungen in Altersheimen und vor Menschen mit Handicap, erzählt von Museumsführungen für Demenzkranke. Die Autoren fingieren ein Interview mit der herzenswarmen Königin Olga von Württemberg oder sie zeigen auf, wie sich Unternehmen gesellschaftlich und ökologisch engagieren können. „Das Besondere ist, dass 16 Freiwillige das Heft gestaltet, getextet, lektoriert haben“, sagt die Stuttgarter Ehrenamtsbeauftragte Ilona Liedel. „Es ist ein Magazin von Freiwilligen für Freiwillige, weil die am besten wissen, wie man fürs Ehrenamt motiviert.“

Somit fallen bei der Herstellung nur die Druckkosten an, die im besten Fall mittels Anzeigen gedeckt werden. Sonst bezuschusst die Stadt das Projekt, dessen Ziel aber die Unabhängigkeit von zusätzlichen Mitteln ist. Mit dem Titel „Win“ – ein Ausrufezeichen ersetzt das „i“ – zielen die Verantwortlichen auf den Effekt der ehrenamtlichen Arbeit ab. „Jeder gewinnt“, sagt Liedel, „das Klientel, dem geholfen wird, die Organisation, welche die Aktionen plant, und nicht zuletzt die Helfenden.“

Einer ist Jürgen von Bülow, dem durch die Mitarbeit klar wurde, „dass ohne ehrenamtliches Engagement vieles gar nicht funktionieren würde“. Das sollen auch die Leser merken: Wo ist es wichtig zu helfen, und wie kann ich einen Teil dazu beitragen, um Dankbarkeit zu ermöglichen – und diese auch selbst zu erfahren.

veröffentlicht in der Stuttgarter Zeitung (7. März 2011)





100 Punkte und ein Play-off-Platz

1 03 2011

Basketball. Der Sieg gegen Hagen ist Ludwigsburgs dritter Erfolg nacheinander, bei dem besonders Donatas Zavackas mit 21 Punkten überzeugt. Die Chancen auf die Endrunde steigen.

Der Basketball-Bundesligist EnBW Ludwigsburg hat mit dem 100:92-(48:53-)Erfolg gegen Phoenix Hagen den dritten Sieg nacheinander geschafft. Vor 2785 Zuschauern in der Ludwigsburger Arena überzeugte die Mannschaft des Trainers Markus Jochum vor allem in der zweiten Hälfte. Der beste Ludwigsburger Spieler war Donatas Zavackas mit 21 Punkten und sechs Rebounds. „Wir haben einen Weg gefunden das Spiel zu gewinnen und auch die zwischenzeitliche Frustration wegzustecken“, sagte Jochum, „ich denke, wir waren am Ende die etwas frischere Mannschaft.“

Beide Teams starteten auf Augenhöhe. Beim 14:13 für Ludwigsburg legten die Westfalen einen 7:0-Lauf auf das Parkett, auf den Jochums Mannschaft ihrerseits mit sieben Punkten nacheinander reagierte. Doch Hagen blieb dran, dominierte in dieser Phase und führte nach dem ersten Abschnitt mit 29:23. Im zweiten Viertel kam Ludwigsburg dann nicht heran, Hagen konterte die Punkte der Gastgeber umgehend mit eigenen Treffern. Mit fünf Punkten Rückstand für Ludwigsburg gingen beide Mannschaften in die Kabine.

Dort schien Jochum die richtigen Worte gefunden zu haben. Sein Team kam mit großem Elan auf das Feld zurück, glich durch Jerry Green schnell aus (55:55) und bestimmte von da an das Geschehen. Alex Harris traf per Dunking zur Führung, Ludwigsburg zog auf sieben Zähler davon. Doch Hagen ließ sich nicht abschütteln, kämpfte sich wieder heran und glich zum Ende des dritten Abschnitts zum 67:67 aus.

Das Schlussviertel startete mit Punkten auf beiden Seiten, Ludwigsburg führte im Verlauf, konnte sich zuerst aber nicht entscheidend absetzen. Die Partie blieb offen und spannend, Hagen blieb in Schlagdistanz. Doch dann kam die Zeit des Donatas Zavackas. Der litauische Flügelspieler erzielte elf Punkte in knapp zwei Minuten. Ludwigsburg führte 90:84, der entscheidende Vorsprung für den Erfolg.

Weil Trier in Bonn gewann und Bremerhaven gegen Braunschweig verlor, schob sich Ludwigsburg mit dem Sieg auf den achten Platz, der für die Endrunden-Qualifikation reichen würde. „Jetzt haben wir nächste Woche in Trier das erste Play-off-Spiel“, sagte Jochum bereits. Denn sowohl Trier als auch die darauf folgenden Gegner Bonn und Bremerhaven sind direkte Konkurrenten im Kampf um Rang acht.

veröffentlicht in der Stuttgarter Zeitung (28. Februar 2011)