SportSirene: Herr Enaba, was bedeutet Ihr Glaube für Sie? Belal Enaba: Ich glaube an Gott, an den Koran und an unseren Propheten Mohammed. Alle drei sind wichtig für uns Moslems. Der Koran kommt von unserem Gott über Mohammed zu uns. Daher muss man ihn lesen, davon lernen und ihn befolgen.
Ist es ein Muss, den Geboten des Korans Folge zu leisten? Der Koran ist ein sehr langes Buch, und es gibt sehr viele Vorgaben, die jeder für sich interpretiert. Ich bin der Meinung, dass ich meine Interpretation befolgen muss.
Sie halten sich also auch an die Vorgaben des Ramadan. Was sind die Folgen für das tägliche Leben? Für mich ist die Arbeit im Ramadan viel leichter. Ich muss heute keine große Leistung mehr erbringen, weil ich schon seit dem zwölften Lebensjahr faste. Ich habe immer gefastet, egal ob ich Sport getrieben habe oder nicht.
Warum leben Sie nach den Vorgaben des Ramadan? Weil der Körper gereinigt wird. Magen und Herz müssen elf Monate im Jahr arbeiten. Im Ramadan können die Organe einmal Pause machen. Ich denke, dass das gesund ist, weil man sich erholt und sich gut fühlt. Außerdem ruht sich die Seele aus. Wir müssen während des Ramadan öfters als normal beten (ein gläubiger Moslem betet fünf Mal am Tag, d. Red.) und können dadurch intensiv in uns gehen. Man ist insgesamt ausgeglichen.
Der Ramadan ist aber auch ein Monat der Gemeinschaft. Genau. Wir essen zusammen mit der Familie und gehen mit Freunden in die Moschee. Es macht sehr viel Spaß. Und alle sind immer freundlich und gut gelaunt.
Hält Ihre gute Laune auch in der Halbzeitpause an, wenn Ihre Mannschaftskameraden etwas trinken dürfen – Sie aber nicht? Wenn ich während des Ramadan Sport treibe, denke ich nicht ans Trinken. Außerdem weiß ich, dass ich abends schon wieder etwas zu mir nehmen kann. Es mag komisch klingen, aber mir macht es immer sehr viel Spaß, im Ramadan Sport zu treiben …
…und sich nur nach Sonnenunterund vor Sonnenaufgang zu ernähren? Ja, da muss man ehrgeizig sein. Vor dem ersten Beten um fünf Uhr esse ich etwas und trinke sehr viel. Außerdem nehme ich Vitamine zu mir und Süßigkeiten, um Zucker im Blut zu haben. Nach dem Gebet schlafe ich nochmals bis neun Uhr. Nach Spielende bin ich dann sehr müde, das muss ich zugeben. Ich denke aber nicht daran, sondern dusche, bete und lese im Koran. Wenn die Sonne kurz nach dem Spiel untergeht, trinke ich viel und esse nur ein paar Süßigkeiten – weil es ungesund ist, auf einmal viel Nahrung in sich reinzustopfen. Gegen später esse ich dann ein ausgiebiges Abendbrot
Sie sind sehr diszipliniert, was die Ernährung anbelangt. (lacht) Ja, aber nur im Ramadan.
Merken Sie Leistungsunterschiede, wenn Sie fasten? Ich habe meine größten Leistungen und Spiele im Ramadan gemacht. Ich bin sehr konzentriert. Ich denke nicht ans Essen, nicht an meine Freundin, sondern nur ans Beten, den Koran und das Spiel.
Das Fasten befl ügelt Sie also und Sie fi nden es sinnvoll? Ja. Ich schieße meine schönsten Tore immer im Ramadan. Es ist schwer für die Leute zu verstehen, wie man Sport ohne Trinken und Essen treiben kann – aber es geht. Beim Gladbacher HTC sind meine Kameraden sehr nett und haben überhaupt kein Problem damit. Die Schürings, bei denen ich in Deutschland wohne, sind wie eine zweite Familie für mich. Sie geben mir gerade im Ramadan eine unglaubliche Atmosphäre.
Ich war überrascht, dass sie mir nicht gesagt haben, „Belal, du musst was essen, du hast ein wichtiges Spiel“. Sie unterstützen mich
genauso wie mein Team.
Auch soweit, dass die Schürings oder andere Spieler selbst fasten? Meine Mannschaftskameraden haben einmal zu mir gesagt, dass sie mit mir fasten wollen. Das war ein schönes Gefühl für mich. Ich finde es toll, dass sie versuchen, sich in mich hineinzuversetzen. Und für sie ist es viel schwieriger zu fasten, weil sie es nicht gewohnt sind.
Wie finden Sie es, wenn sich andere Moslems hierzulande nicht an die Ramadan-Vorgaben halten? Ich akzeptiere alles – die Christen, die Juden, die Moslems. Ich will im Leben niemandem vorschreiben, was er tun soll und was nicht. Aber für mich ist der Monat Ramadan wichtig, und daher faste ich. In Ägypten sagen einige Imame (Imam: der muslimische Vorbeter …, d. Red.) zu den Profis, dass sie den Ramadan verschiebenkönnen, aber das gibt es bei mir nicht…
…obwohl Sie der einzige Moslem beim Gladbacher HTC sind. Wäre es nicht leichter zu fasten, wenn Sie muslimische Kollegen hätten? Das ist mir eigentlich egal, aber letztes Jahr waren zwei ägyptische Spieler während des Ramadan zu Besuch. Das war ein sehr schöner Fastenmonat, weil wir zusammen gefastet, gebetet, gelesen und dann gefeiert haben.
Ist es in der Nationalmannschaft leichter, während des Fastenmonats zu spielen? Bei uns hier in Ägypten ist es ganz einfach, weil alle Moslems sind. Und zudem spielen wir erst abends nach dem Essen Hockey.
Der Glaube hat also in muslimischen Ländern auch Spielverlegungen zur Folge? Ja, wegen des Ramadan werden Spiele nach hinten verlegt.
Haben Sie mit dem ägyptischen Nationalteam aufgrund der Leistungsminderung durch das Fasten schon einmal eine Partie verloren? Unsere Niederlage gegen Südafrika bei den „Asian Games“ in Indien im Oktober 2003 wird hier oft erwähnt. Wir sind zehn Minuten vor Schluss eingebrochen, haben zwei Tore bekommen und anschließend in der Verlängerung mit 2:3 verloren. Wir haben das Spiel jedoch analysiert. Und es hat sich gezeigt, dass individuelle Fehler in der Verteidigung ausschlaggebend waren. Es hatte nichts mit dem Ramadan zu tun. Außerdem habe ich ein sehr schönes Tor gegen Südafrika geschossen.
Das Toreschießen während des Ramadan scheint Ihnen zu liegen? (lacht) Ja. Die Bundesliga sollte immer im
Ramadan sein.
Dürfen Leistungssportler in muslimischen Ländern das Fasten unterbrechen? Im Koran steht nicht genau geschrieben, wann man Ausnahmen machen darf. Einige Imame sagen, dass Leistungsport eine Ausnahme ist. Diese Leute haben meistens aber keine Ahnung von den Muskeln, dem Blut und dem Körper im Allgemeinen. Ich denke, dass Sport keine besondere Ausnahme darstellt. Moslems, die nicht fasten und dafür keinen guten Grund haben, stehen in keinem guten Kontakt mit Gott.
Die Entscheidung liegt also bei jedem Einzelnen. Aber es wird doch kritisiert, wenn man sich als Sportler nicht an die Ramadan-Vorgaben hält. Ja, aber ich selbst will keinen kritisieren, weil das jedem seine eigene Entscheidung ist. Ich bin auch keinem böse, würde es persönlich nur anders machen.
Hatten Sie schon einmal gesundheitliche Probleme aufgrund des Sporttreibens im Ramadan? Nein, das hatte ich nicht.
Sie sagten vorhin, dass Sie Ihre schönsten Tore im Ramadan schießen. Welches war das tollste Tor Ihrer bisherigen Karriere? Ich weiß zwar nicht, ob die Deutschen jetzt sauer sind, aber das wichtigste Tor in meinem Leben war bei den Olympischen Spielen in Athen gegen Deutschland. Zur Halbzeit stand es 1:1 – ich hatte den Ausgleich erzielt. Dann hat Deutschland Gas gegeben und wir haben 1:6 verloren. Trotzdem war der 1:1-Treffer mein wichtigstes Tor.
Das war aber nicht im Ramadan. (schmunzelt) Das stimmt, aber es war auch nicht der schönste Treffer, sondern der wichtigste. Das schönste Tor habe ich in der Bundesligasaison 2005/2006 beim Großflottbeker THGC geschossen. Alle waren essen – ich durfte ja nicht, weil Ramadan war – und ich habe meinen Gebetsteppich neben dem Platz ausgelegt und gebetet: „Bitte Gott, hilf mir. Heute ist ein wichtiges Spiel. Und ich möchte gut spielen.“ Ich habe in dieser Partie zwei unglaubliche Tore geschossen. Ich verstehe bis heute nicht, wie das funktioniert hat. Der erste Schlagschuss ging an der Torauslinie entlang und ist dann durch einen Windstoß ins Tor gefl ogen. Selbst der Schiedsrichter dachte sich: Was läuft hier? Er hat dann aber das Tor dennoch gegeben. Beim zweiten Treffer habe ich den Ball aus 17 Metern ganz hoch über den Keeper ins Tor gelupft. Das waren die schönsten Tore meines Lebens – und die waren im Ramadan.
Fragen von Fabian Schmidt veröffentlicht im Magazin Sportsirene (1, Januar 2008)
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