Die Ungeduld ist sein größter Feind

18 01 2011

Der 24-jährige Steffen Launer von der SV Böblingen gilt als selbstkritischer Athlet.

Es ist seine erfolgreichste Saison gewesen, und doch war Steffen Launer am Ende sauer. Vor allem auf sich selbst. Bei den Junioren-Weltmeisterschaften im Degenfechten in Südkorea 2006 gewann er mit der Mannschaft die Bronzemedaille, nachdem er zuvor im Einzel schon den Titel geholt hatte. Aber die Halbfinalniederlage gegen Kasachstan wurmt den 24-Jährigen noch heute. „Ich war der einzige auf dem Mannschaftsfoto, der böse geguckt hat“, sagt Launer, der in Weil im Schönbuch wohnt, „ich war das erste Mal richtig fertig.“ Der Grund: als Schlusskämpfer vermasselte der damalige Gesamtweltcupsieger trotz eines Vorsprungs den Finaleinzug. Dabei hatte Launer zuvor in jeder Runde einen Rückstand gedreht und das Team weitergebracht.

Es passt, dass sich Steffen Launer mehr an seine Fehler als an seine Erfolge erinnert. Schließlich ist es ihm auch unangenehm, Weltmeister genannt zu werden. „Das war und es ist vorbei“, sagt der für die SV Böblingen startende Athlet. Er suhlt sich nicht im Erfolg, er arbeitet lieber hart. An seiner Konzentration, an seiner Kondition, an seiner Technik. Mit sechs Jahren fing Steffen Launer an, damals noch mit dem Florett. Er wollte unbedingt einmal „Musketier spielen“, also schickten ihn die Eltern zum Fechten. Auf die erste Enttäuschung („Keiner hatte Hüte auf“) folgte der Spaß an der Sportart. Erfolge stellten sich ein, die Motivation wuchs. 2005 klappte plötzlich nichts mehr, doch Launer machte weiter, fokussierte im Folgejahr den Spaßfaktor – und wurde Weltmeister.

Heute ist er im deutschen AB-Kader. Am Wochenende bestritt er beim 8. Internationalen Reutlinger Allstarcup eines von drei nationalen Qualifikationsturnieren für den Weltcup und wurde Neunter. Als Vorjahressieger hatte er andere Erwartungen, aus der Bahn werfen lässt er sich dadurch aber nicht. „Fechten ist zu 80 Prozent Kopfsache, es ist cool, schnelle Entscheidungen treffen zu müssen, aus den Fehlern zu lernen und mit den Gegnern mitzuwachsen.“

Konzentration, Gelassenheit und das Gefühl für den richtigen Moment, das sind die Qualitäten, die einen guten Fechter auszeichnen. Steffen Launer bringt diese Eigenschaften mit. Er lebt sie auf der Planche, aber auch im Gespräch. Er sucht den Blick des Gegenübers, wirkt souverän. Außerdem beugt er sich nach vorne, auch das eine Parallele zum Kampfverhalten. Launer mag die Offensive, bestimmt gerne das Geschehen. „Ich bin aber ein ziemlich ruhiger Fechter, ich zeige kaum eine Regung, das regt den Gegner wiederum auf.“

Das Gemüt ist gelassen, seine Füße hingegen tänzeln beim Gefecht stets über den Boden. Kopf- und Beinarbeit, darauf kommt es an. Seine größte Schwäche macht Launer dann aber doch in der eigenen Ungeduld aus. Manchmal wolle er mit dem „Kopf durch die Wand“. Das ist gefährlich in einem Sport, der von Entscheidungen im Millisekundenbereich geprägt ist.

Solche Situationen sind bei Launer aber die Ausnahme. Sein Trainer Gavrila Spiridon sieht ihn als einen Sportler, der „sich in den kritischen Situationen gut konzentrieren kann“. Spiridon lobt den Ehrgeiz seines Schützlings, „gemessen an seiner eigenen Erwartungshaltung könnte er aber sogar noch mehr trainieren“. Der Coach weiß jedoch, dass Launer nebenbei ein aufwendiges Zahnmedizinstudium bewältigen muss. Dennoch schafft der 24-Jährige pro Woche drei Trainingseinheiten auf der Planche sowie selbstständige Konditionsübungen. An den meisten Wochenenden trainiert er zudem am Olympiastützpunkt in Tauberbischofsheim. Sein Sport verlangt viel Zeit, viel Engagement, viel Geld.

Wie bei anderen Randsportarten machen auch die Fechter eher ein Minusgeschäft – trotz der Förderung durch den Verband. Daher ist Launer auf der Suche nach Sponsoren, gerade für die Reisen zu den Wettkämpfen auf anderen Kontinenten. Das nächste sportliche Großereignis wird aber in Europa ausgetragen: die Olympischen Spiele 2012 in London. Launer träumt von der Teilnahme, genau wie in Rio de Janeiro 2016. „Es wäre unklug, es nicht zu probieren, auch wenn die Chance gering ist. Aber wenn ich nicht mehr vorankomme, ziehe ich einen Schlussstrich.“

veröffentlicht in der Stuttgarter Zeitung (17. Januar 2011)


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