Tor ist’s, wenn der Schiri pfeift

18 01 2010

Was Thomas Helmer kann, kann Christian Tiffert schon lange. So sah es jedenfalls aus, als am Sonntagabend (17.1.) 10100 Zuschauer in der Duisburger MSV-Arena das 5:0 des Heimteams gegen den FSV Frankfurt bewundern durften. Es war wirklich verwunderlich, wie Schiedsrichterassistent Thomas Münch auf Tor entscheiden konnte und Hauptreferee Marco Fritz dem zustimmte. DFB-Schiedsrichter-Lehrwart Eugen Strigel bezog dementsprechend kritisch Stellung: „So einen gravierenden Fehler habe ich eigentlich noch nie gesehen. Der Ball war ja über einen Meter von der Linie weg. Ich hoffe, dass in den nächsten 20 Jahren nicht mehr so ein Fehler passiert.“ Aber seht selbst warum:

Für die FAZ habe ich daher versucht mit den Beteiligten zu sprechen und auch andere Schiedsrichter zu kontaktieren. Schiedsrichterassistent Thomas Münch, der in Duisburg bei seiner sechsten Partie in der zweiten Liga in dieser Saison assistiert hat, hatte sein Handy ausgeschaltet, wenn es denn die richtige Nummer war. An Herrn Fritz bin ich nicht rangekommen. Schließlich habe ich Hellmut Krug, Berater der Deutschen Fußball Liga in Sachen Schiedsrichterwesen, erreicht. Er war als Beobachter in Duisburg eingeteilt und hat daher auch direkt im Anschluss mit den Referees gesprochen. Das Interview kommt morgen in der FAZ von daher kann ich es hier natürlich nicht bringen. Ich habe aber gerade gesehen, dass es schon auf FAZ.NET steht. Ich habe zudem mit dem Bundesligaschiedsrichter Lutz Wagner, einem der altgedientesten DFB-Referees gesprochen, und er hat mir das Interview freundlicherweise für den Blog authorisiert.

Herr Wagner, wie beurteilen Sie die Fehlentscheidung des Schiedsrichterassistenten Thomas Münch? Zum Glück für den Kollegen war die Situation nicht mehr spielentscheidend. Es war natürlich mehr als ärgerlich, weil die Entscheidung relativ deutlich falsch war.
Wie kann solch eine Entscheidung passieren? Da kann ich nur mutmaßen. Es war gegen Ende des Spiels und Thomas Münch war vielleicht einen Moment unkonzentriert und ist überrascht worden.
Hätte Hauptschiedsrichter Marco Fritz anders reagieren müssen? Er war in diesem Fall leider schlecht beraten auf den Assistenten zu hören. Aber solch eine Situation gibt es glücklicherweise nicht so häufig. Regeltechnisch war es ja richtig, auf den Assistenten zu hören, weil er mittlerweile auch auf Tor entscheiden darf. Aber es war halt leider falsch.
Aber muss Fritz das nicht auch selbst sehen? Er stand noch weit in der Mitte und wenn ein Assistent freie Sicht hat und unmittelbar auf Tor zeigt, hat ein Schiedsrichter ja kaum einen Grund zum Zweifeln. Und wenn man zweifelt, sollte man kein Tor geben. Denn es wird länger über ein gegebenes Tor gesprochen, das keins war, als wenn der Ball knapp hinter der Linie war und der Schiedsrichter kein Tor gibt.
Können Sie verstehen, dass jetzt in den Internetforen gleich von Korruption gesprochen wird? Ich finde diese Diskussion überflüssig. So einen gravierenden Fehler macht doch niemand extra. Außerdem sucht auch niemand großen Medienrummel. Ich fühle mit dem Kollegen, der will doch am liebsten im Boden versinken.
Wie sehen die Konsequenzen in solch einem Fall aus? Das ist Sache des Schiedsrichter-Ausschusses. Wenn einem Schiedsrichter ein Fehler passiert, ist er selbst unglücklich darüber. Wie bei Spielern werden Fehlentscheidungen aber auch bei Schiedsrichtern intern besprochen. Leider war in der Frankfurter Bild-Zeitung heute der falsche Assistent abgebildet. Der muss sich jetzt auch noch rechtfertigen.

Natürlich darf so ein Fehler nicht passieren, aber irgendwie tun mir Münch und Fritz schon auch leid. Als Schiedsrichter pfeifst du 99 Prozent gut und machst einen kapitalen Fehler und schon bist du der Depp. Den Torhütern geht es da ähnlich. Der DFB muss sicherlich irgendetwas unternehmen, aber er sollte Münch nicht gleich absetzen, das wäre zu hart. Er sollte ihm vielmehr neue Chancen geben und ihn dabei vielleicht noch ein wenig genauer beobachten.

Zur Info: Thomas Helmer hatte am 23. April 1994 im Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg das 2:1 für die Bayern erzielt, oder auch nicht. Damals wurde das Spiel wiederholt, Bayern gewann 5:0, Nürnberg stieg ab. Das ist diesmal nicht möglich, weil mittlerweile in den Regeln festgeschrieben ist, dass auch ein Schiedsrichterassistent ein Tor geben darf, das war 1994 noch anders. Auch hier nochmal der Videobeweis – mit herausragenden Kommentatoren wie Lothar Matthäus.

NACHTRAG: Ich habe gerade auf BILD.DE gelesen, dass der DFB dem Schiedsrichterassistenten Münch aufgrund guter Leistungen in der bisherigen Saison „verzeihen“ wird. Außerdem soll der FSV Frankfurt mit einen Phantom-Torschuss-Wettbewerb Freikarten für das nächste Heimspiel verlosen. Vorbild dafür ist Christian Tifferts 5:0 – also gegen die Latte schießen und den Ball vor der Torlinie aufkommen lassen.

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