Ein Dickkopf bahnt sich seinen Weg

16 12 2010

Serie (3) Die StZ stellt talentierte Wintersportler aus der Region vor. Heute: der 17-jährige Kombinierer Manuel Faißt

Die Geschichte beginnt in einem Rucksack. 1995 fährt der zweijährige Manuel Faißt das erste Mal Ski – auf dem Rücken seines Vaters Klaus. Die Familie ist beim Langlaufen in Furtwangen, der Papa trägt den Sohn, die Mutter Andrea zieht die Tochter Melanie im Schlitten hinter sich her. Die Faißts lieben den Wintersport. Im selben Jahr steht Manuel auch erstmals allein auf den Brettern. Es liegt ihm, er zeigt sofort ein gutes Bewegungsgefühl. Der erste Sprung von einer Schanze folgt mit fünf, im Bergergrund in Baiersbronn. „Ich weiß noch, dass ich große Angst hatte und bei den ersten drei Sprüngen hingefallen bin“, sagt er heute.

Manuel Faißt wird im Januar volljährig. Er zählt zu den größten Talenten in der nordischen Kombination, startet für seinen Heimatverein SV Baiersbronn und lebt seit drei Jahren im Skiinternat in Furtwangen. Mit 13 kam er in den C-Kader des Deutschen Ski-Verbandes (DSV), mit 17 in den B-Kader. „Er hat Erfolg, weil er ein Wettkampftyp ist“, sagt sein Vater, „er ist in der Lage seine Leistung dann abzurufen, wenn es gilt.“ Klaus Faißt muss es wissen – er war selbst ein erfolgreicher Kombinierer. Er hat seinen Sohn lange trainiert und wurde kürzlich vom DSV zum Trainer des Jahres in der nordischen Kombination gekürt, sein Sohn gleichzeitig zum „Newcomer“ 2010.

Manuel Faißt ist gestern aus den USA zurückgekehrt, zwei Wochen Training und Wettkämpfe. Es lief gut, er war zufrieden – wie mit der gesamten Vorbereitung auf die aktuelle Saison. Der wichtigste Wettkampf steigt Ende Januar in Estland: die Juniorenweltmeisterschaften in Otepää. Der 17-Jährige will Edelmetall. Ein paar Medaillen hat er bereits gewonnen. Sein größter Erfolg war der Sieg beim Eyof 2009 in Polen, einer Art Olympischer Jugendspiele in Europa. Die Nationalhymne zu hören, sei ein „cooles Gefühl“ gewesen.

Solche Erfolge machen Spaß, sie motivieren. Manuel Faißt kennt den Leistungssport aber auch anders: „Es gibt immer mal Phasen, da fragt man sich, warum man sich den ganzen Stress antut.“ Die Freude am Sport siege letztlich aber immer wieder über die Zweifel. Außerdem kann er in solchen Momenten nicht nur seinen Vater, sondern auch seine Schwester Melanie um Rat fragen. Schließlich ist die 20-Jährige zweimalige Deutsche Meisterin im Skispringen und daher bestens vertraut mit den Tücken des Leistungssports.

Ihr Bruder könnte sich zudem Tipps für die Sprungdisziplin holen. Die Technik sei gut, aber bei der Sprungkraft könne er sich noch verbessern. So sieht es der Vater, der den Sohn als „ehrgeizig und bodenständig“ beschreibt. „Er ist ein bisschen ein Ruhigerer“, sagt die Mutter Andrea Faißt. Sie sieht im Leistungssport einen Vorteil für das Erwachsenwerden: „Die Entwicklung, die er durchmacht, sich orientieren, organisieren, das fördert einen jungen Menschen.“ Ohne die Familie im Rücken sei das aber nicht möglich. Genauso wichtig ist das Internat. Die Fehlzeit im Unterricht muss nachgeholt werden. „Da braucht man Lehrer, die das mittragen, und einen Schüler, der in den Ferien die Schulbank drückt“, sagt der Vater.

Für Manuel Faißt ist das kein Problem. Trotz vieler verpasster Schulstunden hat er gute Noten. Er ist klug, zielstrebig und eifrig, wenn er etwas erreichen will. Das sagen seine Freunde. Aber auch, dass er manchmal faul sei und sich nicht immer sportgerecht ernähre. Er selbst sieht es ähnlich: „Ich denke, dass ich lernfähig bin, manchmal aber auch einen Dickkopf habe. Doch das ist ja nicht immer schlecht.“

Trotz des Erfolges ist Manuel Faißt nicht abgehoben, trägt seine Siege nie hochnäsig nach außen. „Ich freue mich oft mehr als er“, sagt seine Freundin Carolin Schuler. Seit sieben Monaten sind beide ein Paar. Die Beziehung wird durch das viele Reisen des Sportlers belastet. „Aber er meldet sich immer und kümmert sich um mich“, sagt die 18-Jährige, die weiß, dass er sich im Wettkampf „nicht verrückt macht“ und stressige Situationen im Sport und in der Schule „einfach durchzieht“.

Diese Beharrlichkeit soll Manuel Faißt 2011 das Abitur bescheren und ihn anschließend sportlich in die Weltspitze führen: „Ich möchte mich im Weltcup etablieren, und eine Olympiateilnahme ist natürlich der Traum eines jeden Sportlers.“ Das Talent dazu hat er – und den Willen. Später will Faißt studieren, Jura oder Betriebswirtschaftslehre, das interessiert ihn. Nach dem Schulabschluss soll jedoch erst einmal ausschließlich der Sport im Fokus stehen, in der Fördergruppe der Bundeswehr. Dort muss er den Rucksack dann selbst tragen.

veröffentlicht in der Stuttgarter Zeitung (15. Dezember 2010)