Die Ludwigsburger Zahlenlüge

15 03 2012

Statistisch ist das Basketballteam Durchschnitt, die Abstiegsgefahr ist aber hoch.

Die Anhänger des Basketballsports lieben Zahlen. Während der Pressekonferenzen senken die Trainer der Clubs den Kopf meist nach unten und gucken auf das Blatt mit den statistischen Werten des abgelaufenen Spiels, die sie ausgiebig studieren. Nach jedem Viertel liegen diese Zahlen bereit. Wie hoch ist die Trefferquote jenseits der Dreipunktelinie, wie viele Rebounds hat ein Team in der Defensive geholt, wie häufig hat ein bestimmter Spieler den Ball verloren? Im Fall des Bundesligisten EnBW Ludwigsburg lügen diese Statistiken jedoch. Schließlich stehen die Schwaben aktuell auf einem Abstiegsplatz (Vorletzter), sie haben von 26 Saisonspielen 19 verloren, das Bangen um den Klassenverbleib ist nicht erst vor dem württembergischen Derby heute (20 Uhr) beim Tabellenzweiten Ratiopharm Ulm groß. Dabei lassen die statistischen Gesamtwerte eine völlig andere Schlussfolgerung zu.

Schließlich ergibt der Mittelwert der bisherigen mannschaftlichen Zahlen die neunte Position unter allen 18 Bundesligisten. Damit wäre sogar das Saisonziel Play-offs noch möglich. In keinem Einzelwert steht die Mannschaft auf einem Abstiegsrang. Alex Harris und Co. sind die viertbesten Werfer aus der Distanz, auch mit der schlechteren Quote im Zweipunktebereich (13. Platz) ist die Mannschaft noch im gesicherten Mittelfeld. Nun ist die absolute Zahl der Wurfversuche ebenso wichtig, doch auch hier ist Ludwigsburg mit Rang 14 nicht abgeschlagen – wenn das auch stark ausbaufähig ist. Freiwürfe erarbeitet sich das Team 21,7 pro Spiel (6.) und verbucht die zweitmeisten Blocks. Die Ludwigsburger klauen dem Gegner auch häufig den Ball (8.). Selbst bei den Ballverlusten erreichen sie genauso wie bei den Rebounds einen Durchschnittswert ( jeweils 9.). Bei den anderen Statistiken sieht es ähnlich aus, außerdem ist die Mannschaft nicht von einem Werfer abhängig, sondern die Akteure punkten ausgeglichen.

Daher ist es zumindest nicht verwunderlich, dass David McCray sagt: „Das Team ist nicht tot. Wenn man uns im Training sieht, würde man nicht denken, dass wir gegen den Abstieg spielen.“ Zudem ist es verständlich, dass eines der häufigsten Worte der Ludwigsburger in diesen Tagen „irgendwie“ ist. „Irgendwie müssen wir unsere Ballverluste abstellen“, sagt etwa McCray. Oder der Trainer Steven Key bilanziert, dass die „gesamte Saison irgendwie schiefgegangen“ sei – und er bleibt auch beim Formulieren der Herangehensweise für die kommenden Partien etwas schwammig: „Wir müssen irgendwie einen Weg finden, um ein Spiel zu gewinnen und somit einen kleinen Schub zu bekommen.“ Immerhin kennt sich Key mit dem Abstiegskampf aus. Schließlich sicherte der US-Amerikaner in der abgelaufenen Spielzeit den Gießenern den Klassenverbleib, nachdem er auch dort im Laufe der Saison als Nachfolger von Vladimir Bogojevic zum Chefcoach ernannt worden war. Er hielt also schon einmal dem Druck in einer Extremsituation stand.

Das wiederum könnten seine Spieler nun von ihm lernen. Denn die vielen knappen Niederlagen – sieben Misserfolge mit einer Differenz von fünf oder weniger Punkten – sowie der immer noch fehlende Auswärtssieg zeugen nicht gerade von Nervenstärke. Hinzu kommt die mangelnde Erfahrung der Akteure im Abstiegskampf. Arbeit im Kopf ist demnach angesagt – und einen konkreten Hinweis für das Training geben die Statistiken dann doch. Die Fehlpässe in Verbindung mit dem mäßigen Wert bei den Vorlagen (14.) deuten auf ein weiteres Ludwigsburger Kernproblem hin: die Mannschaft ist aufgrund der vielen Verletzungen und Transfers nicht gut eingespielt, die Abstimmung und die Systeme laufen nicht rund. Keys Profis sollten also öfters den Kopf hochnehmen und einen genaueren Blick auf ihre Mitspieler haben.

veröffentlicht in der Stuttgarter Zeitung (14. März 2012)





Ohne die Bilder sagen Zahlendaten kaum etwas aus

10 10 2011

Die Abteilung Spielanalyse verknüpft beim VfB Stuttgart statistische Werte mit Videomaterial und hilft damit den Profis.

Mathias Munz kann kaum noch auf den Bolzplatz. Seit 2008 leitet der frühere Amateurkicker die Abteilung Spielanalyse beim VfB Stuttgart, befasst sich intensiv mit Profifußball und sagt daher mit einem Schmunzeln: „Wenn man ein gewisses Verständnis für das Positionsspiel und die Laufwege entwickelt hat, erträgt man das eigene Gekicke mit den Kumpels nur sehr schwer.“

Der Sportwissenschaftler professionalisierte in den vergangenen drei Jahren seinen Fußballsachverstand, und der VfB seine Spielanalyse. Heute arbeiten in der Abteilung zwei Festangestellte und zwei Studenten. Sie kümmern sich um die Drittligamannschaft sowie die Junioren, beschaffen und schneiden für die Scouts Videomaterial über potenzielle Neuzugänge und bereiten als Kerngeschäft die Spiele der Profis vor und nach – für die Analyse des vergangenen Bundesligaspiels und die Vorbesprechung des kommenden.

Konkret sieht Letzteres dann so aus: Die Spielanalytiker sichten die vergangenen Partien des nächsten VfB-Gegners, schneiden pro Spiel rund 50 Szenen raus – anhand der Vorgaben, die das Trainerteam Bruno Labbadia und Eddy Sözer zum Start seines Engagements vorgestellt hat, sowie der Informationen der Scouts, die das Spiel vor Ort angeschaut haben. Anschließend wählen sie mit dem Co-Trainer Sözer die endgültigen Szenen für die Mannschaftsbesprechung aus.

Das Ergebnis ist ein zwölfminütiger Film auf DVD. Darauf ist beispielsweise zu sehen, dass bestimmte Außenverteidiger das Spiel oft mit einem langen Diagonalpass eröffnen, oder dass gewisse Stürmer sich immer auf Höhe der gegnerischen Viererkette bewegen, um von dort aus in die Tiefe zu starten – Namen will Munz allerdings nicht nennen. Betriebsgeheimnis. Weitere Inhalte der Analyse-DVD können Standardsituationen, das Spiel gegen den Ball oder das Verhalten des Gegners bei Kontern sein. Das alles sind Informationen, die die Vorbereitung der Profis verbessern sollen.

Als Videomaterial können die Analysten auf das Fernsehbild des Senders Sky zurückgreifen, in Stuttgart verwenden sie jedoch vor allem den sogenannten Scoutingfeed der DFL. Elf Bundesligaclubs haben diesen Service abonniert, bei dem ein Extrakameramann das Spielgeschehen aus einer noch totaleren Perspektive verfolgt. Das Bildmaterial wird mit Zahlen der Firma Impire ergänzt. „Das Wichtigste bei der Analyse ist, dass man die Quantität, also die Daten, mit der Qualität, also den Videos, verknüpft“, sagt Munz. „Die Daten allein helfen kaum.“ Doch ganz perfekt funktioniert dieses Auswertungssystem noch nicht (siehe auch „Die Leiden der durchleuchteten Profis“).

Perfekt lief hingegen Munz‘ Werdegang beim VfB. Nach einem Praktikum sollte der gebürtige Schwäbisch Gmünder nach der Entlassung von Armin Veh mithelfen, eine Spielanalyse-Abteilung aufzubauen. Er hat seither einen großen technischen Fortschritt erlebt, der sich beispielsweise in größeren Speichermedien und schnelleren Downloads ausdrückt. „Der Fortschritt erleichtert die Arbeit ungemein, aber die Arbeit wird auch mehr, weil die Daten und Anforderungen immer differenzierter werden“, sagt Munz.

Ein Analyst kann mittlerweile herausfiltern, wie viele Zweikämpfe in der Luft (A) die zwei Sechser (B) im Angriffsdrittel (C) zwischen der 60. und 75. Spielminute (D) gewonnen haben (E). Die Punkte A bis E sind mögliche Stellschrauben für eine Abfrage. Viele solcher Abfragen bedeuten ein riesiges Datenmaterial, pro Spiel sind es etwa 4,5 Millionen. Munz hat sie nicht gezählt. Er und seine Kollegen synchronisieren diese nur mit den Videos, damit die Trainer Schlüsse daraus ziehen können.

Der 31-Jährige hat schon drei Übungsleiter beim VfB erlebt. Für Markus Babbel waren besonders die Bilder, weniger die Daten entscheidend. Christian Gross sichtete sehr viel selbst. Und die Akribie von Labbadia und Sözer wirkt sich auch auf das Arbeitspensum der Analysten aus. „Das finde ich sehr gut“, sagt Munz, „zumal die Zusammenarbeit perfekt klappt.“

Seine Abteilung rangiert in der Liga „im oberen Drittel“, was Hardware, Software, Personal und Erfahrung angeht. Der FC Bayern und Borussia Dortmund sind führend. Ausbaupotenzial ist noch vorhanden. Zum Beispiel ist es denkbar, irgendwann einmal ausgewählte Szenen schon in der Halbzeitpause in die Kabine zu schicken, damit der Trainer je nach Bedarf die erste Spielhälfte direkt analysieren kann.

Auch Individualpakete für jeden Spieler sind möglich, also eine DVD oder eine Datei zum Herunterladen, mit allgemeinen Sequenzen, aber auch Szenen vom Athleten selbst und von dessen Gegenspieler in der nächsten Partie. Schließlich macht der 1. FC Köln das schon. Dort bekommen die Profis portable Geräte, auf denen Videomaterial abrufbar ist. So etwas hätte Mathias Munz wohl auch gern für den VfB – sowie für sich und seine Kumpels auf dem Bolzplatz.

 veröffentlicht in der Stuttgarter Zeitung (6. Oktober 2011)





2010 in review

2 01 2011

Das hab ich heut als Email bekommen, und da WordPress die Möglichkeit anbietet, die Zusammenfassung direkt einzbauen, wollt ich davon Gebrauch machen, damit Ihr seht, was die Leute am meisten gelesen haben. Auf diesem Weg auch ein gutes Neues.

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Where did they come from?

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