„Man muss doch den Leuten Hoffnung geben“_Teil 2 des Interviews mit Willi Lemke

24 03 2010

Es folgt der zweite Teil des Interviews mit UN-Sonderberater Willi Lemke. Der ehemalige Manager von Werder Bremen spricht über das „Leuchtturmland“ Südafrika, das Rezept für ein nachhaltiges Entwicklungsprojekt und darüber, wie sich eine Fußballmannschaft auf einer einsamen Insel zusammensetzt.

Wenn Sie einen Werbespot über Sport als Entwicklungs- als Friedensinstrument drehen könnten, welche Schlagworte hätte dieser? Respekt ist für mich die absolute Nummer eins. Gerechtigkeit, Miteinander, Begeisterung, Entwicklung, also Sozialisation durch Sport erfahren. Wenn man gewinnt, nicht gleich einen auf dicken Max machen, bei einer Niederlage nicht völlig verzweifelt sein. Durch Sport lernt man, dass man arbeiten muss, um etwas zu erreichen.

Sie werden oft als Menschenfänger beschrieben. Funktioniert das Menschenfangen auch dann noch, wenn es nicht nur darum geht, über Hilfe zu sprechen, sondern diese auch zu finanzieren? Das ist ein wichtiger Aspekt. Die eigentlichen Verantwortlichen für den Einsatz von Sport in Entwicklungsprojekte in den Ländern sind die Regierungen. Die müssen kapieren, dass sie sich irgendwann an den sportbezogenen Entwicklungshilfeprojekten finanziell beteiligen müssen…

…Und da ist noch viel Bedarf? Da ist noch viel, viel zu tun. Man muss den Personen klar machen, dass man Geld reinstecken muss, sonst gehen die Projekte wieder kaputt. Das ist ein harter, langer Kampf. Vor allem, weil es dann heißt: Herr Lemke, Sport ist doch nicht das Wichtigste und schon gar nicht der Breitensport.

Uli Hoeneß hat gesagt, es war die größte Fehlentscheidung von Sepp Blatter, die WM nach Südafrika zu vergeben. Wie sehr schaden solche Aussagen? Ich werde in keiner Weise auf das Zitat von dem Herrn aus dem Süden eingehen. Meine Position und die der Vereinten Nationen ist, dass die Fifa den Mut hatte, in die Subsahara, ins Leuchtturmland Afrikas eine WM zu vergeben. Die WM wird bunt, sie wird laut und ganz anders als hier. Ich habe die große Hoffnung, dass es innen- wie außenpolitisch ein Durchbruch werden kann. Eine erfolgreiche WM wird Investoren anziehen. Ich weiß, wie viele Menschen in Afrika stolz sind, dass solch eine Veranstaltung auf ihrem Kontinent stattfindet.

Was macht Sie so sicher, dass die Weltmeisterschaft ein Erfolg wird? Ich war beim Confed-Cup, bei der Auslosung auf den Straßen. Ich habe mit den Menschen dort gefeiert – locker, fröhlich, viel lauter, viel greller, viel farbiger als beispielsweise in Vancouver. Ich hatte keine Sekunde Angst gehabt, als ich mit einem Küster und einem Fernsehteam durch einen Township gegangen bin. Ich kann nicht nachvollziehen, dass es Menschen gibt, die sagen: Das war eine Fehlentscheidung. Man muss doch den Leuten Hoffnung geben. Das kann ich nicht, indem ich sage, ich gehe da nicht hin. Wenn man sich vernünftig verhält, dann wird auch nichts passieren.

Haben Sie auch nach dem Anschlag in Angola nicht an der Entscheidung gezweifelt? Überhaupt nicht. Man kann doch nicht Angola mit Südafrika vergleichen. Wer das tut, sollte sich mal fragen, ob er es während des Kosovo-Krieges etwa nicht gewagt hätte, in Italien Urlaub zu machen. In Angola sind viele Dinge passiert, die in Südafrika nicht passieren werden, weil das Land viel besser vorbereitet ist.

Muss man bei all den positiven Aspekten des Sports nicht auch bedenken, dass durch Wettkämpfe Rivalitäten geweckt, Feindschaften gestärkt oder gar Übergriffe provoziert werden könnten? Ich gehe die Dinge positiv an. Ich kann es überhaupt nicht ab, wenn man einen Tag mit „Um Gottes Willen, es ist bewölkt“ beginnt. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die sagen: Bad news are good news. Für mich sind gute Nachrichten gute Nachrichten, und ich will versuchen, diese in meinem Bereich zu vermitteln.

Frieden durch Sport: Ist das nicht übertrieben? Sport kann einen Beitrag dazu leisten, in Frieden und Respekt zu leben mit jemandem, der eine andere Hautfarbe, eine andere Religion, eine andere politische Meinung hat. Das kann man durch Sport trainieren – am besten schon im Kindergartenalter. Wenn man auf einer einsamen Insel mit 22 Leuten strandet und einen Fußball dabei hat, dann wird bei der Mannschaftszusammenstellung keiner nach der Hautfarbe, der Religion oder der politischen Einstellung fragen. Dann geht es nur darum, ob jemand Fußball spielen kann, sich in die Mannschaft integrieren, sich einbringen will und ein Teamsportler ist, der die Regeln respektiert. Das habe ich kürzlich bei einem Besuch in Qatar Kindern erzählt, die haben das sofort verstanden.

Schon vor zwei Jahren haben Sie gesagt, dass sich die Koordination der Projekte weltweit verbessern muss. Hat sich mittlerweile etwas geändert? Es sind viel zu viele Projekte, die am laufen sind. Und die Koordinierungschancen, die ich persönlich habe, sind gering. Das ist ein ganz dickes Holz, das ich durchbohren muss…

…und sind Sie noch am Anfang? Wenn ich es mit einem Marathon vergleiche, dann bin ich erst bei Kilometer fünf.

Wünschen Sie sich mehr Personal in Ihrer Abteilung oder ein stärkeres Entgegenkommen der Verantwortlichen? Ich hätte natürlich gerne mehr Mitarbeiter. Entscheidender ist aber, dass unsere Ausarbeitungen ernst genommen werden. Entwicklungshilfeprojekte sollten beispielsweise nie isoliert laufen. Es bringt auch nichts, wenn drei Jahre in einen Brunnen investiert wird, und danach nicht mehr. Der versandet innerhalb kürzester Zeit, wenn er nicht gewartet wird. Man muss sicherstellen, dass die Menschen vor Ort dies selbst können. So ist es auch mit Sportprojekten. Wenn sich die lokalen Autoritäten nicht mit den Projekten identifizieren oder wenn es keine lokalen Träger gibt, die das Projekt übernehmen können und wollen, dann ist es sinnlos. Das ist das Problem der Nachhaltigkeit und Eigenverantwortung.

Liegt dieses Problem eher bei den Hilfsorganisationen oder vor Ort, wo die Projekte stattfinden? Es ist ein grundsätzlicher Fehler, dass Regierungen und Geberländer häufig isoliert helfen wollen. Es wäre besser, gemeinsame Projekte zu starten. Nach meiner bisherigen Erfahrung muss man vier Säulen ins Boot holen: Die örtliche Kommune bzw. Dorfgemeinschaft, die nationale Interessensvertretung, den nationalen und den internationalen Sportverband. Außerdem sollten die Regierungen gleich mit Finanzmitteln oder Sachmitteln aushelfen. Wenn man dann mehrere Regierungen hat und eine zurückzieht, läuft das Projekt trotzdem weiter. So erreicht man Nachhaltigkeit. Außerdem erlebe ich leider viele Entwicklungsprojekte, bei denen viel Geld sinnlos verplempert wird.

Wie beurteilen Sie die Entwicklungsarbeit Deutschlands bezogen auf den Sport? Deutschland macht sehr, sehr viel. Sie fördern das Amt an sich, das ist ein wichtiger Beitrag. Ich finde das ausgesprochen schlau. Aber wir müssten aus dem einen Prozent Entwicklungshilfe zwei machen. Es gibt tolle einzelne Projekte, aber insgesamt fehlt es noch ein bisschen an der Unterstützung in Sachen Sport.

Was muss ein UN-Sonderberater für Voraussetzungen mitbringen? Erstmal muss er ganz umfassende Erfahrung aus dem Sport mitbringen. Dann muss man so etwas Ähnliches wie ein Menschenfänger sein, einen langen Atem haben, eine gute Konstitution. Topfit und gesund sollte man zudem sein. Eine klare Zielsetzung ist dabei genau so wichtig wie Visionen, und man darf sich nicht durch einzelne Rückschläge zurückwerfen lassen. Ich lasse mich nicht entmutigen, freue mich auch über kleine Dinge.

Haben Sie noch Lust weiterzumachen? Ja, klar.

Wie sieht das Ban Ki-moon? Er entscheidet das von Jahr zu Jahr, im März ist es wieder soweit. Vergangenes Jahr habe ich einen formlosen Brief bekommen. Ich bin optimistisch und hoffe, dass das auch dieses Jahr wieder der Fall ist.

Was würden Sie gerne als Fazit über sich lesen, wenn Sie das Amt einmal nicht mehr ausüben? Es würde mich freuen, wenn wir das Vorbild-System auf- und ausbauen könnten. Da würde ich etwas schaffen, das nachhaltig verändert. Wenn ich darüber hinaus noch lesen könnte, dass es einige israelisch-palästinensische Sportprojekte gibt, die es Kindern und Jugendlichen aus beiden Ländern ohne politisches Störfeuer ermöglichen, sich gegenseitig mit Respekt zu behandeln. wäre das toll. Das ist wahnsinnig schwer und ein langer Weg.





Lokführer Lemke unter Dampf_Ob bei Werder oder als „World Wide Willi“: Der UN-Sonderberater glaubt an die soziale Kraft des Sports

19 03 2010

Es gibt ihn in zwei Versionen: als Bremer, der mit Herz und Seele beim Fußballklub Werder ist, und als Staatsmann, der im Auftrag der Vereinten Nationen für den Sport wirbt – und daher auch schon einmal „World Wide Willi“ genannt wird. Willi Lemke schafft den Spagat zwischen seinen Funktionen als Aufsichtsratsvorsitzender von Werder Bremen und als UN-Sonderberater für Sport im Dienst von Entwicklung und Frieden. Hier werden Millionensummen für Fußballprofis verhandelt, dort geht es um Entwicklungshilfe an der Basis. Manchmal komme er bei diesem Wechsel schon ins Grübeln: „Es ist ungerecht, dass ein Spielervermittler für fünf Telefonate Millionen erhält und ich auf der anderen Seite um jeden Tausender kämpfen muss, der einem Afrikaner eine Chance ermöglicht.“ Ein Rückzug aus Bremen sei aber keine Option: „Werder ist mein Leben.“

Seit 2008 schwappt dieses Leben in die ganze Welt, in dieser Woche jährt sich die Berufung durch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zum zweiten Mal. Am Mittwoch erschien Lemkes Buch „Ein Bolzplatz für Bouaké“. Der Dreiundsechzigjährige fasst darin seine bisherigen Erfahrungen zusammen. Das Projekt in Bouaké in der Elfenbeinküste ist eine seiner Lieblingsgeschichten. Dort gibt es eine Judoschule mit 200 jungen Afrikanern – darunter viele Mädchen. Mit Hilfe des deutschen Außenministeriums konnte Lemke Judoanzüge für alle Teilnehmer zur Verfügung stellen. Bei einem Besuch zeigte ihm der örtliche UN-Kommandeur, wo ein Fußballplatz für die Soldaten entstehen sollte. Lemke fragte, ob ein Feld für alle mitten im Dorf nicht besser sei. Nach anfänglichem Murren wurde der Bolzplatz an Heiligabend 2009 offiziell eröffnet. „Das ist doch genial“, sagt Lemke.

Er mag Superlative. Im Einzelgespräch in seinem Bremer Lieblingshotel hält er sich mit Gesten zurück – ganz im Gegenteil zu Vorträgen. Man merkt, dass er oft über sein Amt spricht. Erachtet er etwas für wichtig, ist die Stimme sofort lauter, der Oberkörper nach vorn gebeugt, die rechte Hand gestikuliert. Es zeigen sich beide Rollen: Diplomat und Fußballfan. Er drückt sich vorsichtig aus, verwendet aber auch Begriffe wie „totale Party-Time“ oder „bollstrackenfertigweg“ in Bezug auf seine Müdigkeit wegen des Jetlags vom vielen Fliegen. Manchmal umgeht er Fragen, indem er seine Antwort auf Werder Bremen lenkt.

Willi Lemke gilt als Motivator, als Macher, als einer, der die Ärmel hochkrempelt, der gerne anpackt. Er konzentriert sich in seinem UN-Amt auf fünf Hauptpunkte: Afrika fokussieren, Gleichstellung fördern, Vorbilder schaffen, Behindertensport unterstützen, Nahost-Konflikt entschärfen. Er ist überzeugt von sich und seiner Arbeit – und er ist glücklich. „Es ist eine Lebenstraumerfüllung“, sagt Lemke. Im Rücken die große Organisation der UN, aber im Angesicht den Staub in einem afrikanischen Dorf – von der Spitze in die Breite. Das gefällt Lemke. Er weiß, er braucht die Sportstars, die großen Institutionen wie den Fußball-Weltverband Fifa oder das Internationale Olympische Komitee. Ihm sind aber die Vorbilder vor Ort wichtiger. Das verdeutlicht der Vater von vier Kindern an einer Eisenbahn-Metapher. In der Lokomotive sitzen die Stars, die Drogbas, die Eto’os. Sie bringen Kinder dazu, Sport zu treiben. In den Waggons fahren Sportler mit, die nicht ganz so gut wie die Profis sind, sich aber für die anderen Passagiere einsetzen, ihnen ein Vorbild sind. Alle können sich mit dem Zug identifizieren, und alle fahren mit: Frauen, Männer, Kinder, Senioren, Behinderte. „Die Vorbilder aus der Nachbarschaft zeigen den anderen: Wir haben eine Chance“, sagt Lemke. Deshalb vermittelt er afrikanische Jugendliche als Praktikanten nach Europa, auch zu Werder Bremen. Sie sollen in ihre Länder zurückkehren, das Gelernte weitertragen – und später Führungskräfte in ihrer Heimat werden.

Neben dem Initiieren von Projekten repräsentiert Lemke den Generalsekretär Ban Ki-moon, koordiniert Tätigkeiten innerhalb der Vereinten Nationen, führt mögliche Kooperationspartner und Geldgeber zusammen. Außerdem setzt er das Bemühen seines Schweizer Vorgängers Adolf Ogi fort, den Sport als Instrument für Entwicklung und Frieden hervorzuheben – „ein schwieriger und zäher Prozess“. Beide messen dem Sport besondere Stärken zu: Respekt, Integration, Fairplay, Solidarität, Ehrgeiz, Entwicklung. Die Liste ist lang. Sport könne einen Beitrag zum Frieden leisten. Diese Ideen treiben Lemke an. „Er hat ein Herz für die Aufgabe“, sagt Ogi über seinen Nachfolger, „das ist wichtig.“ Lemkes Chef, UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, ist zufrieden mit dessen Arbeit. „Den Sport als Entwicklungs- und Friedensinstrument innerhalb und außerhalb des UN-Systems zu stärken, hat er erfolgreich fortgeführt“, ließ Ban auf Anfrage verlauten. Er freue sich, dass Lemke „ohne Berührungsängste viele Projekte und Programme initiiert und gleichermaßen nach Unterstützern sucht“.

Lemke selbst erfährt bei der Bundesregierung Unterstützung, sie zahlt jährlich 450 000 Euro für sein Amt. Davon werden seine Mitarbeiter und die Spesen bezahlt, er selbst erhält symbolisch einen Euro pro Jahr. Geld für Projekte steht ihm nicht zur Verfügung. Der Bremer freut sich über die Subvention, wünscht sich aber, dass die Regierung die Entwicklungshilfeausgaben für den Sport verdoppelt. Derzeit fließt nur rund ein Prozent des Gesamtvolumens in sein Metier.

„Der Job zehrt an mir“, sagt Lemke. Er will aber noch ein paar Jahre weitermachen und ist optimistisch, in nächster Zeit einen Brief von Ban Ki-moon zu erhalten. Er hat jedoch schon einen Titelwunsch für seinen Abschied, wenn es irgendwann nicht mehr geht: „Willi Lemke hat ein nachhaltiges Vorbild-System aufgebaut.“ Als Geschenk würde sich dann eine Miniaturausgabe seines Eisenbahnmodells eignen.

veröffentlicht in der FAZ (19. März 2010) 





„Sport eignet sich hervorragend für Entwicklungsarbeit“_Teil 1 des Interviews mit UN-Sonderberater Willi Lemke

17 03 2010

Für die FAZ habe ich mich mit Willi Lemke in Bremen getroffen. Der Sonderberater der Vereinten Nationen für Sport im Dienst von Entwicklung und Frieden hat sich viel Zeit genommen. Er trinkt gerne Tee und war aufgrund des Jetlags schon seit 3.13 Uhr nachts wach, er wusste noch den genauen Zeitpunkt. Für die FAZ habe ich darüber einen Artikel geschrieben, der demnächst erscheint. Das Interview hat mir Willi Lemke freundlicherweise für Sportlich autorisiert. Ich bringe es in zwei Teilen. In Part eins spricht Lemke über Vorbilder in einem Slum, die Werte des Sports sowie die Vorzüge des paralympischen gegenüber dem olympischen Sport.

Herr Lemke, Sie sind vor ein paar Tagen von den Olympischen Winterspielen zurückgekehrt. Wie war Ihr Eindruck von Vancouver? Als Besucher war es phänomenal, die totale Party-Time mit ausgelassener und fröhlicher Stimmung. Man war überall willkommen. Der multikulturelle Aspekt ist in Vancouver nicht zu übersehen. Furchtbar allerdings war der Unfall des georgischen Rodlers. Ich sage: Leute, kommt runter, ihr müsst nicht immer einen Weltrekord haben. Spannende Wettkämpfe genügen. Es soll niemand Angst haben um seine Gesundheit, um sein Leben. Insgesamt habe ich aber eine unglaublich positive Rückmeldung bekommen. Sotschi wird sich anstrengen müssen, solche Spiele zu veranstalten.

Sie sind bald zwei Jahre im Amt als Sonderberater des UN-Generalsekretärs für Sport im Dienst von Entwicklung und Frieden. Wird man in einer solchen Funktion ein anderer Mensch? Nein. Wenn du 50 überschritten hast, dann änderst du dich nicht mehr. Das ist ja bekannt. Ich bin kein anderer Mensch, aber ich habe die Welt gesehen, wie sie ist. Ich hatte Afrika beispielsweise vorher nie so erlebt, kannte nur den Norden. In meinen Dienstreisen, vor allem in der Subsahara, habe ich dann aber Leid und Elend direkt erlebt. Darüber täglich nachzudenken und zu reflektieren, das verändert einen.

Wenn man es negativ betrachtet, könnte Ihre Tätigkeit angesichts der unzähligen Problemfelder in der Welt die Überschrift tragen: Hoffnungslosigkeit eines Weltverbesserers. Ist der Druck unter vielen Hilfsbedürftigen den einen auszuwählen, nicht riesig? Ich finde es genau umgekehrt: total befreiend. Es ist gut, dass ich in meiner Position etwas bewirken kann. Ich will etwas umsetzen, das können auch kleine Dinge sein. Ich kann nicht die Welt verbessern, ich bin aber auch kein Weltverbesserer. Die fantastischen Projekte möchte ich unterstützen. Ich sauge diese Ansätze auf und versuche sie woanders angepasst einzusetzen. Dann habe ich in kleinen Schritten etwas verbessert.

Erfährt man in Ihrer Tätigkeit auch Dankbarkeit oder hört man immer nur Bittstellungen? Auf jeden Fall viel mehr als in der Kommunalpolitik. In der Bildungspolitik konnte ich alles machen, und es war immer falsch. Wenn ich jetzt Afrikaner nach Bremen hole, um dort Praktika bei Werder oder im Radio zu machen, werden sie das ihr Leben nicht vergessen. Und sie sind die wirklichen Vorbilder – nicht die Drogbas und Eto’os. Die anderen sehen dann: Der war fleißig, hat die Ärmel hochgekrempelt. Der hat die Schule zu Ende gemacht, der hat aufgehört zu kiffen, zu klauen. Der hat sich integriert, hat ein Sportprojekt mitgemacht, war ehrenamtlich tätig und hat sich dann so hochgearbeitet, dass er ein Praktikum in Bremen machen konnte. Das ist für mich ein Vorbild in einem Slum.

Dennoch benötigenSie die prominenten Vorbilder als Zugpferde. Würden Sie lieber die Stars, die Fifa, das IOC beiseite lassen und sich nur auf die Nachbarschafts- Idole konzentrieren? Nein, ich brauche beides. Es wäre völlig falsch, wenn ich sagen würde: Wir brauchen nur Eto’os und Drogbas, weil die Kinder millionenfach frustriert wären. Denn die meisten schaffen den Sprung zum Star eben nicht. Dabei vergessen sie auch noch ihre Schulbildung, denken nicht daran, dass sie auch studieren könnten. Sie verplempern ihre Sozialisation, ihre Erziehung. Da ist es mir lieber, wenn sie weiterhin von Eto’o träumen, aber eine Ausbildung machen und später im eigenen Land aushelfen, anstatt nach Amerika oder in ein anderes westliches Land zu gehen. Die Vorbilder aus der Nachbarschaft zeigen den anderen: Wir haben eine Chance.

Sie brauchen den Superstar und die großen Institutionen aber auch als Geldgeber. Natürlich. Ich vergleiche das gerne mit einer Bahn. In diesem großen Zug sind alle drin: Frauen, Männer, Kinder, Seniorensportler, Behindertensportler. Mit dem Zug können sich alle identifizieren. In der Lokomotive sitzen die Drogbas und Eto’os. Sie bringen Kinder dazu, Sport zu treiben. In den einzelnen Waggons gibt es Sportler, die nicht so gut wie die Stars sind, sich aber für die Mitreisenden einsetzen – und genau dieses Bild zeigt, dass wir Spitzen- und Breitensportler als Vorbilder brauchen.

Bei Amtsantritt haben Sie gesagt, dass Sie den minimalen Anteil, der in Deutschland von der Gesamtentwicklungshilfe in den Sport fließt, verdoppeln wollen. Das wäre mein großer Wunsch. Deshalb gucke ich hoffnungsvoll auf den neuen Entwicklungshilfeminister. Ich habe im April einen Termin bei ihm und hoffe, ihn überzeugen zu können, dass Sport ein ganz, ganz wichtiges Instrument der Entwicklungshilfe ist, viel wichtiger als andere.

Ihr Vorgänger Adolf Ogi meinte, er musste während seiner Amtszeit stets für die Bedeutung des Sports kämpfen. Müssen Sie diesen Kampf immer noch fortführen? Ja, ganz klar. Da hat sich nichts Grundlegendes geändert. Ich habe das Staffelholz von ihm bekommen und versuche es weiterzutragen. Das ist ein ganz schwieriger und zäher Prozess, weil nicht überall in den Ministerien sportbegeisterte Leute sitzen. Auch in den afrikanischen Ländern heißt es oft: Wozu brauchen wir Sport, das ist doch Luxus.

Was entgegnen Sie in diesen Situationen? Sport hat unglaublich viele Werte für die Menschen. Die soziale Entwicklung ist durch nichts so gut voranzubringen wie durch den Sport. Der Geschlechter-Aspekt ist ein weiterer Punkt. Viele Millenniumsziele können durch Sport umgesetzt werden, er eignet sich hervorragend für Entwicklungsarbeit. Man kann die Menschen durch Sport im positiven Sinne verändern. Ein Sportler weiß, dass man hart arbeiten muss, dass man sich motivieren muss, dass man sich selbst zwingen können muss, um eine gute Leistung zu bringen.

Sie fliegen demnächst wieder nach Vancouver zu den Paralympics. Inwiefern unterscheiden sich ihre Aufgaben im Behindertensport von denen im Fußgängersport? Es ist ganz besonders wichtig, den Behindertensport zu unterstützen. Ich habe fünf Prioritäten: Erstens Afrika. Das ist ein Hauptpunkt. Zum Zweiten Vorbilder suchen, identifizieren, fördern, nach Europa bringen, damit sie in ihren Heimatländern als Vorbilder dienen und wichtige Position übernehmen können. Der dritte Punkt ist der Gender-Aspekt. Hier sehe ich weltweit viel, viel Handlungsbedarf. Der vierte Punkt sind die Behindertensportler. Ich weiß, wie viele Millionen Menschen immer noch völlig isoliert leben, weil sich ihre Eltern oder Angehörigen schämen, sie in der Öffentlichkeit zu zeigen. Der Wert einer Gesellschaft zeigt sich aber auch daran, wie diese mit Menschen mit Behinderung umgeht. Und die fünfte Priorität ist der Konflikt im Nahen Osten zwischen Israel und Palästina.

Sie haben über den Behindertensport einmal gesagt, dass dort die Freude am größten ist. Was kann der olympische Sport vom paralympischen lernen? Die unbändige Freude über die eigene Leistung ohne Hintergedanken. Wenn sich ein Behindertensportler freut, tut er das auf eine unglaublich schöne und natürliche Weise. Man merkt, wie glücklich er über seine eigene Leistung ist. Das ist für mich olympisch. Wenn einer bei den Olympischen Spielen seine Bestleistung zeigt und Vierter wird, beißt er sich vor Wut in den Hintern und bekommt bestenfalls eine kleine Fußnote.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Das ist der Druck der Gesellschaft, der Druck, der von überall herkommt: von den Sponsoren, von den Medien, vom gesamten Umfeld.

Sie galten früher als eine Person der deutlichen Worte. In Ihrer jetzigen Funktion sind Sie sehr diplomatisch. Ist es aber nicht gerade als UN-Sonderberater wichtig, auch einmal auf den Tisch zu hauen? Es ist in der Tat so, dass ich keine klaren Worte sprechen kann, sondern mich immer sehr diplomatisch ausdrücken muss. Der Generalsekretär darf auf den Tisch hauen, aber als höchster Diplomat überlegt auch er sich das sehr gut. Ich würde das manchmal gerne machen, aber ich darf es nicht.

Ihr neues Buch „Ein Bolzplatz für Bouaké“ erscheint am 17. März. Darin fassen sie ihre bisherige Amtszeit zusammen. Wie zufrieden sind Sie? Persönlich bin ich mit dem, was ich umgesetzt habe, sehr zufrieden. Ich hätte gerne noch viel mehr gemacht. Aber ich bin über 60 und mein Körper ist nicht mehr so strapazierfähig. Ich bin manchmal sehr erschöpft, wenn ich von einer Zeitzone in die nächste rutsche. Es geht Woche für Woche, Schlag auf Schlag. Ich wäre gern noch einmal zehn Jahre jünger, damit ich noch mehr Energie hätte.

Machen sich Ihre Mühen bezahlt? Ich habe mal gesagt, dass es sich gelohnt hat, wenn ich nur ein einziges Menschenleben retten kann. Dann war der Job für mich in Ordnung. Wenn es mir gelingt, viele Schicksale zu ändern – und ich bin ziemlich sicher, dass mir das schon nach zwei Jahren gelungen ist – dann ist das für mich absolut zufrieden stellend. Ich will mich jetzt nicht selbst beweihräuchern, aber ich kann jeden Morgen in den Spiegel gucken.

Was sagt Ihre Frau zu den Strapazen? Die ist einerseits besorgt, dass ich überpace, irgendwann in eine Sauerstoffschuld komme, von der ich mich nicht mehr erhole. Andererseits sagt sie: Du bist total glücklich. Das kriegt sie ja mit. Der Job ist für mich eine Lebenstraumerfüllung.





„Wenn ein Land die WM verdient hat, dann ein afrikanisches“_Interview mit Willi Lemke

11 11 2009

Folgendes Interview habe ich mit Willi Lemke im Rahmen eines Journalistenseminars in Feldafing am Starnberger See zum Thema „Bildkorrekturen – Sport, Entwicklung und Medien“ von Inwent geführt. Während des zweitägigen Treffens hat Lemke dort auch einen Vortrag gehalten – neben Sportlern, Funktionären, Botschaftern und Journalisten. Das Überthema wurde anhand der Olympischen Spiele in Peking und der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika diskutiert.

Willi Lemke, Sportsonderberater des UN-Generalsekretärs, über seine Arbeit für die Vereinten Nationen, die Chancen und Gefahren des Sports sowie die Bedeutung der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika.

Herr Lemke, Sie sind seit April 2008 als Sonderberater des Generalsekretärs für Sport im Dienst von Entwicklung und Frieden bei den Vereinten Nationen tätig. Wie haben Sie das erste Jahr im Amt erlebt? Es ist eine sehr anstrengende und dennoch faszinierende sowie dankbare Arbeit, die es mir ermöglicht, interessante Projekte zu besichtigen und wichtige Entscheidungsträger zu treffen. Ich bin weltweit unterwegs und setze mich für den Sport als Entwicklungsinstrument ein, um die UN-Millenniumsziele zu erreichen. Dabei versuche ich, die einzelnen Akteure zu koordinieren und zu unterstützen.

Es heißt immer, der Sport solle nicht politisch sein. Ist das überhaupt möglich? Nein, Sport ist niemals unpolitisch. Die eigentliche sportliche Handlung ist es. Aber die Gesellschaft, in der der Sport stattfindet, macht ihn automatisch politisch. Die WM in Südafrika soll innen- wie außenpolitisch ein Riesenerfolg werden. Und wenn ein Land die WM verdient hat, dann ein afrikanisches. Ist das Turnier neben dem leidenschaftlichen Fußball und den feiernden Fans auch gut organisiert, dann wird der Erfolg für Südafrika und somit für den ganzen Kontinent noch größer sein. Denn die Medienpräsenz wird so groß sein, wie noch nie. Weitaus mehr als in Peking.

Wo sehen Sie die Grenzen des Sports als Entwicklungsinstrument und wo lauern die Gefahren? Das Thema Doping ist im Augenblick etwas sehr Belastendes. Das haben wir noch nicht voll im Griff. Es gibt viel zu viele Schwachstellen und die Gegenseite versucht immer wieder neue Rezepte zu finden, um zu betrügen. Auch Gewalt im Sport gibt es leider viel zu häufig, genauso Rassismus. Wir haben zudem illegale Wettpraktiken, die die Spiele und Ergebnisse manipulieren sollen. Das sind die dunklen Seiten des Sports, die ich gar nicht ausblenden will. Aber die positiven Seiten, die für das Individuum und für die Gesellschaft bis hin zur Entwicklung der Nationen in Richtung Entwicklung und Frieden wichtig sind, überwiegen deutlich.

Welche Rolle spielen die Medien bei der sportlichen Entwicklungspolitik? Ich würde nicht fordern: Schreiben Sie nur über die positiven Programme. Es gibt in der Tat viele Dinge, die auch ich in Frage stelle. Daher ist es wichtig, kritisch zu sein. Aber ich denke gerade an eine Judohalle im Rebellengebiet an der Elfenbeinküste, die 120 Kinder und junge Erwachsene in einem fantastischen Projekt aufgebaut haben. Dort wird Nachwuchsarbeit von den ganz Kleinen bis zu den Großen gemacht. Der Gender-Aspekt ist genauso dabei wie die Erziehungsfunktion, also zum Beispiel der Grundgedanke, den Gegner zu respektieren – egal welche Religion, welche Hautfarbe er hat. Wir benötigen Journalisten, um das zu transportieren. Daher haben sie eine ganz wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe. Man sollte nicht nur die negativen Aspekte hervorheben. Medien haben eine Verantwortung und dieser müssen sie sich bewusst sein. Daher muss eine Berichterstattung auch immer ausgewogen sein – auch wenn die Quote das Leben der Journalisten belastet.

Sie haben in einem Vortrag für Nachwuchsjournalisten gesagt, durch Sport ließen sich mittel- oder langfristig Kriege verhindern. Das ist ein sehr hohes Ziel. Wie meinen Sie das? Ich bin mir darüber im Klaren, dass der Sport Kriege nicht verhindern kann. Das haben wir nach der Eröffnungsfeier in Peking gesehen, als in Georgien auf einmal Panzer rollten. Und das obwohl wir wenige Monate zuvor bei den Vereinten Nationen einstimmig den olympischen Frieden beschlossen hatten. Das war ein furchtbarer Schlag. Aber das Beste der Spiele war für mich, als die russische Medaillengewinnerin von der georgischen bei der Siegerehrung des Luftpistolenwettbewerbs umarmt worden ist. Das war ein unglaublich wichtiges Symbol und hat der Politik deutlich die Rote Karte gezeigt und gesagt: Wir sind die Menschen und wir kriegen das ohne Waffen hin. Das war ein Signal des Friedens an die Welt.

Sie haben auch betont, dass durch die WM in Südafrika ein ehemals gespaltenes Land zusammengeführt werden könne. Ja, absolut. Ich sehe das als eine ganz große Chance und Herausforderung. Warum: Weil wir der Auffassung sind, dass die Menschen mit Stolz darauf schauen werden, wenn sie eine positive WM zustande gebracht haben – nicht in sportlicher Hinsicht, sondern als Gastgeber. Unterschiedliche Bevölkerungsgruppen werden zusammenrücken. Fußball kann das schaffen, was andere Bereiche nicht können. In Südafrika können sie dann sagen: Guckt mal, auf diesem Kontinent kriegen wir was hin, alle sind sicher, wir sind logistisch gut drauf, wir können etwas von A bis Z perfekt organisieren. Das ist innen- wie außenpolitisch ein Signal und schafft Vertrauen. Investoren werden kommen – das ist dringend erforderlich, damit Arbeitsplätze geschaffen, Armut und Elend bekämpft werden können und sich das Land friedlich weiterentwickeln kann.

Das klingt nach einem wichtigen Projekt für die Vereinten Nationen. Die WM ist eine ganz große Aufgabe. Der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat mir gesagt: Südafrika muss ein Erfolg werden – nicht nur für das Land, sondern für den gesamten Kontinent. Das hat Priorität. Das Turnier ist Risiko und Chance zugleich. Es gibt natürlich Herausforderungen, aber auch unendlich viel Potential. Es war eine mutige Entscheidung der Fifa und wir werden sie unterstützen.

Man denkt bei Entwicklungshilfe daran, die Wasserqualität zu verbessern oder Krankheiten zu bekämpfen. Was nützt es denn, in einer Schule den Sportunterricht einzuführen? Es ist für einen Bürgermeister irgendwo in Afrika wichtiger, eine Wasserleitung zu haben als einen Basketballkorb. Das ist völlig klar. Natürlich müssen die Grundbedingungen erst einmal gegeben sein. Wenn du die aber hast, darfst du auf den Sport nicht verzichten. Der Sport gehört dazu, die Kinder haben ein Recht auf Sport, ein Recht zu spielen und sich zu bewegen. Denn das hat eine Vielzahl von Funktionen, beispielsweise im pädagogischen Bereich. Wenn man einem Kind klar macht, dass es jeden Tag üben muss, um die Bananenflanke eines Tages zu beherrschen, wird es leichter kapieren, dass auch beim Vokabeln-Lernen das Üben wichtig ist. Genauso ist es bei Mathematik und Biologie.

Aber ist es überhaupt möglich, den Sport bei all den Problemen in den hilfsbedürftigen Ländern als entwicklungspolitisches Instrument einzusetzen? Natürlich ist mir klar, dass sie im Slum von Nairobi keine Mutter-Kind-Krippe finden, sondern verzweifelte Frauen, die versuchen, das Leitungswasser zu erhitzen, damit sie es trinken können. Das ist ein viel wichtigeres Problem als die sportliche Bewegungsstunde. Aber trotzdem hat das Kind ein Recht darauf, und daher sollten wir von den Vereinten Nationen versuchen, ganz gezielt Projekte im Sport anzubieten, die auch fortgesetzt werden, wenn die Entwicklungshilfe ausläuft. Das ist nämlich der entscheidende Punkt. Es dürfen keine Disteln auf der Sportanlage wachsen, weil sich keiner verantwortlich fühlt, wenn das Projekt abgeschlossen ist. Ich möchte eine Entwicklungspolitik, die die Menschen vor Ort mitnimmt. Sie müssen von sich aus sagen, wir wollen nicht mehr ohne Sport klar kommen und kümmern uns darum. Dann ist es optimal gelaufen…

…was in welchen Projekten der Fall ist? Ich kann da einige nennen. Das erwähnte Judo-Projekt finde ich sehr beeindruckend, weil es ausschließlich von Menschen aus der Elfenbeinküste selbst umgesetzt wird. Ich habe zudem ein Projekt in Durban gesehen, dass sehr meiner Auffassung entsprach – unterstützt von der Kommunalverwaltung. In einem Township mit tausenden von Teilnehmern, in sieben Sportarten, verschiedenen Locations und mit eigenen Übungsleitern. Das Tolle war, dass sich so viele zusammengeschlossen haben, um Sport zu treiben und Veranstaltungen zu organisieren. Die Menschen im Township wurden involviert und das ist besser und nachhaltiger, als es ohne dieses Potential, nur von oben herab, zu organisieren.

Es werden aber hauptsächlich westliche Sportarten verbreitet. Spielen bei Ihnen auch lokale Sportarten eine Rolle? Eine Kontinentalmeisterschaft im Bambuswerfen wird man sich nicht anschauen und man wird keine Sponsoren finden. Das ist das Problem. Aber ich möchte betonen, dass traditionelle Veranstaltungen unbedingt gefördert werden sollten, unter anderem auch von der Unesco. Wenn ich da etwas bewegen kann, würde ich mich immer für eine besondere Förderung durch die Vereinten Nationen oder deren Unterorganisationen einsetzen.

Welche Funktionen soll der Sport in Zukunft übernehmen und was haben Sie persönlich vor? Ich bin froh, dass mir Ban Ki-moon erneut Vertrauen geschenkt hat und ich für ein weiteres Jahr diesen tollen Job fortführen darf. Ich möchte mich für die Kinder in Gaza einsetzen und bin gerade dabei, mit meinem Büro in Genf nach Möglichkeiten zu suchen, wie ich die UN-Hilfsorganisation für palästinensische Flüchtlinge im Nahem Osten bei den Sommersportspielen in Gaza unterstützen kann. Außerdem möchte ich Schulen aus Entwicklungsländern mit Schulen aus Industrieländern zusammenbringen. Von Kind zu Kind, von Schule zu Schule, von Land zu Land. Es kostet keinen einzigen Pfennig, kein Steuergeld, keinen UN-Dollar. Du musst nur die Herzen der Kinder erreichen. Erst vor wenigen Monaten habe ich eine Partnerschaft zwischen einer südafrikanischen und einer Bremer Grundschule organisiert. Die Kinder haben gejubelt. Die Auseinandersetzung mit dem Lebensumfeld Anderer halte ich für unglaublich wichtig, damit man seine eigene Lebenssituation einzuschätzen lernt. Ich glaube, dass Sport ein Mittel zur positiven Veränderung der Welt sein kann…

…und auch zur Veränderung Ihres Gemütszustandes, wenn Werder gewinnt. Wie oft sind Sie denn noch im Weserstadion? Fast immer. Ich richte meinen Terminplan nach den Werder-Spielen. Ich schaue, dass ich mit dem Flugzeug immer so lande, dass ich um 15.30 Uhr ins Stadion kann. Wenn ich dann allerdings am Sonntag schon wieder weg muss, meckert meine Frau.

veröffentlicht im Magazin des Journalistenseminars
„Bildkorrekturen – Sport, Entwicklung und Medien“ von Inwent in Feldafing vom 27.-29. November 2008